6 – Zwänge

№ 6

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen*

Ist mein Wecker wirklich gestellt? Ist der Ofen aus? – Das sind Fragen die harmlos klingen, aber für Betroffene unerträglich sein können. Von den Gedanken jemanden zu verletzen bis hin zu Handlungen, die einem die Hände verbrennen, gibt es einige Zwänge die wir hier besprechen.


Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von mind me – Dem Podcast über die Facetten der Depression. Wir sind Mia und Hannah. Wir wollen nochmal darauf hinweisen, dass wir keinen medizinischen Hintergrund haben und lediglich unsere Erfahrungen und Meinungen teilen. Möchten Betroffenen Mut machen und sie wissen lassen, dass sie nicht alleine sind.

Hannah: Ich bin froh, dass wir jetzt starten, weil ich, wie du das hörst und siehst, gerade einen Zusammenbruch hatte. Für alle, die das jetzt nicht wissen, ich bin gerade in Tränen ausgebrochen, weil nichts funktioniert hat. Vielleicht hört ihr es an meinem Ton. Es tut mir sehr leid. Ich muss das leider…

Mia: Tränen runter schlucken. (Gelächter von Mia)

Hannah: Genau die Tränen runter schlucken, auch. Aber ich muss die Folge leider anders aufnehmen, weil das mit meinem Mikrofon irgendwie nicht funktioniert hat. Es tut mir leid, auf jeden Fall. Und Mia, es tut mir leid für meinen Zusammenbruch.

Mia: Nein, gar nicht. Es tat mir leid, dass wir so weit entfernt sind und ich nichts machen konnte. Ich war voll hilflos gerade.

Hannah: Ich war auch hilflos. (Gelächter)

Mia: Scheiße, zwei hilflose Opfis.

Hannah: Es ja okay. Wir haben das jetzt so gelöst und beim nächsten Mal klappt das dann auch hoffentlich alles wieder und ich habe mich bis dahin wieder beruhigt. So in zwei Wochen, das dauert bestimmt so lang.

Mia: Ich hoffe es, dass du dich ganz schnell wieder beruhigst.

Hannah: Das wird schon.

Mia: Es ist ja auch intensiv, die letzte Zeit, alles, das ganze Leben.

Hannah: Ich weiß auch nicht. Mein Fass ist komplett voll, randvoll. Es brauch wirklich nur eine klitzekleine Sache und es läuft über. Das war ja jetzt auch. Ich meine, wie dramatisch ist es jetzt, dass das Mikrofon nicht funktioniert? Es gibt wirklich schlimmeres im Leben. Und ich schreie hier erstmal rum, mit meinem hysterischen Schrei. Ganz bescheuert. Da muss ich echt mal ein bisschen runterkommen wieder von meinem Stresstrip. Ich bin da auch schon die ganze Zeit noch so am Zittern.

Mia: Ja, habe ich gerade gesehen, als du deine Fingerchen in die Kamera gehalten hast.

Hannah: Naja, so ist das.

Mia: Leider. Scheiß Corona. (Gelächter) Für uns psychisch Kranken sowieso. Ich meine, für jeden ist es schlimm. Haben wir uns eben auch schon kurz drüber ausgetauscht. Für uns ist es ganz furchtbar, keine sozialen Kontakte zu haben, Arbeit, Einkaufen, Zuhause, mehr macht man momentan nicht.

Hannah: Ja. Was ich auch sagen muss ist, bei mir verstärkt das tatsächlich meine Ängste. Ich habe so ein bisschen soziale Ängste. Da steigere ich mich immer mehr rein. Ich kann Corona richtig als Ausrede nutzen, obwohl ich eigentlich den Ängsten entgehen gehen sollte. Aber denke ich mir, „Aber ich muss mich ja nicht mit dem Treffen, weil Corona.“ Dann isoliere ich mich erstmal für Wochen, Monate in meiner Bude und gehe zur Arbeit und mache nichts.

Mia: Aber ohne scheiß, das schiebe ich auch immer vor, wenn mich irgendein Typ von der Arbeit oder von der Uni so fragt, „Ja, wollen wir uns treffen? Oh, kriege ich eine Umarmung?“ „Ah, sorry Corona, mh, ne du. Lieber Sicherheitsabstand“

Hannah: Wir sind ja sehr vernünftig, aber triggert trotzdem wahrscheinlich unsere Ängste und unsere Psyche. (Gelächter)

Mia: Bei mir bringt es echt die körperlichen Symptome zurück, habe ich jetzt die letzte Zeit gemerkt. Bin ich auch mal gespannt, was morgen bei den Blutwerten rauskommt.

Hannah: Immer wichtig, das testen zu lassen. Das empfehle ich auch jeder und jedem Vitmine, Eisen etc. mal checken zu lassen.

Mia: Vor allem habe ihr zwischen 18 und 35 Jahren den Anspruch auf einen kostenlosen Check-up und ab 35 Jahren, alle drei Jahre. Das habe ich jetzt zum Beispiel gemacht. Ich hatte eigentlich nur einen „normalen“ Blutabnahme Termin, weil ich momentan immer so Magen-Darm Probleme habe und er auch die Schilddrüse abchecken wollte und meine Nierenwerte, weil ich ja eine Nieren Vergangenheit habe. Dann hat die Arzthelferin mir das vorgeschlagen, dann meinte ich so, „Ja, why not.“ Bin ich mal gespannt.

Hannah: Alles mitnehmen, was man so…

Mia: Alles mitnehmen, was man kriegen kann. (Gelächter)

Hannah: Sehr gut. Da bin ich auch mal gespannt. Da musst du mir dann auf jeden Fall von erzählen.

Mia: Wir haben heute Zwangsstörung und Zwangsgedanken mitgebracht. Ich glaube, wir haben letzte Woche, beziehungsweise letzte Folge kurz darüber geredet und uns dazu entschieden es direkt anzugehen, das Thema.

Hannah: Du hast jetzt gerade gesagt, Zwangsstörung/Zwangsgedanken, mir ist es so bekannt, dass man bei einer Zwangsstörung Zwangsgedanken und Zwangshandlungen hat, oder? Vielleicht kannst du da einfach mal ein bisschen erläutern, wie genau, was genau.

Mia: Es geht einfach darum, wenn man eine Zwangsstörung beziehungsweise Zwangsgedanken hat, dass Betroffene den inneren Drang oder den Zwang verspüre, Dinge zu tun oder zu denken, ohne dass sie etwas dagegen machen können. Oft haben sie gewalttätige, sexuelle oder blasphemische Inhalte.

Hannah: Blasphemisch ist was?

Mia: Gotteslästerung, Religion, in die Richtung geht das.

Hannah: Ah, okay. Also in meinem Verständnis ist es tatsächlich noch ein bisschen ausgedehnter, weil ich habe mal gelernt, dass jeder Gedanke ein Zwangsgedanke sein kann. Es geht nicht immer um den Inhalt des Gedankens, sondern um die Art zu denken und wie man es erlebt. Weil rein theoretisch kannst du, jeden Gedanken in einen Zwang umwandeln, wenn man jetzt zum Beispiel immer auf seinen Wecker guckt oder so. Dann ist das ja keine gewalttätige Sache, sondern es ist einfach ein Zwang, drauf zu gucken.

Deswegen ist es in meiner Ansicht noch ein bisschen weiter gefasst, aber ich denke auch, dass jeder Mensch das auch ein bisschen so für sich definieren kann und sollte. Weil es gibt natürlich einfach unnormale Gedanken, man weiß ja auch immer selber, „Was denke ich da eigentlich gerade für eine Scheiße?“, einem ist es bewusst.

Mia: Bei mir passt es eigentlich ganz gut, weil es gewaltig oder so in Richtung Gotteslästerung schon geht bei mir, beziehungsweise ging. So sexuell, nö, da auch nicht. „Harmlose“ Zwangsgedanken oder Tätigkeiten hatte ich natürlich auch.

Hannah: Nur zum Festhalten, du bist religiöse, ne?

Mia: Genau, ich wurde christlich erzogen, evangelisch. (Gelächter) Aber locker flockig, Leute.

Hannah: Ich bin auch getauft und so weiter, auch konfirmiert, evangelisch, aber ich bin auch aus der Kirche ausgetreten tatsächlich. Ich bin eher so Richtung Atheist, deswegen ist das ja eigentlich ganz gut wieder mal, dass wir uns so unterhalten. (Gelächter) Ich finde das sehr schön mit den Gottesdiensten. Ich finde die Gemeinschaft einfach ganz oft sehr schön. Da fühlt man sich auch immer so aufgehoben.

Mia: Ja genau. Ich bin in meiner alten Stadt auch eine Zeitlang oft hingegangen und habe da auch echt coole Leute kennengelernt. Aber als es mit meiner Depression wieder schlimm wurde, hatte ich einfach keine Kraft mehr hinzugehen.

Hannah: Ja. Ist ja auch sehr viel sozial und sehr viel zusammen sein.

Mia: Ja! Echt anstrengend dann, wenn es einem eh nicht so gut geht. Genau ich hoffe, wenn es alles wieder ein bisschen entspannter ist, dass ich hier auch irgendwie Anschluss finde und eine coole Gemeine finde. Also wie gesagt, ich bin locker flockig und war auch in einer freien Kirche.

Hannah: Aber ist doch schön, wenn man da was hat, auf jeden Fall wo man sich festhalten kann. Um zurück zum Thema zu kommen…

Mia: Ja, kleiner Schwenker.

Hannah: Kleiner Exkurs hier. Was hast du denn für Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen? Also vielleicht kannst du da mal was erzählen.

Mia: Ja, also ganz früher hatte ich oft, da habe ich mich gerade spontan dran erinnert, wenn ich so für mich gebetet habe, so Beleidigung mit eingebaut oder so komische Gebete, wie so auf einmal „Bitte lass mich sterben.“ So ganz komisch. Ich wollte natürlich nicht sterben. Ich bin dann immer weinend zu meinen Eltern, die haben dann diesen Gedanken für mich aufgeschrieben, den haben wir dann im Kamin verbrannt. Fand ich eigentlich eine ganz coole Umgehensweise damit. Mein lustigster Zwang war, wenn ich gespült habe mit Handspülmittel, dann musste ich immer auf die Flasche drücken, wenn ich die wieder abgestellt habe, dass da diese Spüli-Luftblasen hochsteigen. (Gelächter)

Hannah: Du hattest es mir irgendwann letztens erzählt. Es ist einfach so geil, weil ich auch dieses Bild im Kopf habe.

Mia: Ich weiß noch genau, wie ich bei meinen Eltern an der Spüle stand, es abgestellt habe, gespült habe und es einfach nicht ging. Ich konnte nicht spülen und habe dann nachträglich nochmal auf die Flasche gedrückt und mir die Blubberblasen angeguckt.

Hannah: Ja witzig. Es ist natürlich nervig, weil wenn du das immer machen muss, aber es ist auch süß. Ich würde sagen, Lebenseinschränkung ist es jetzt nicht zu 100%.

Mia: Nö und die Seifenblasen haben mich dann auch echt Freude bereitet. Also es kam dann nicht immer welche, aber wenn sie kamen war ich eigentlich immer happy. Dann habe ich letztes Mal auch von diesem Quallenbild erzählt, oder vorletztes Mal, ich weiß es gar nicht mehr.

Hannah: Das letzte Mal.

Mia: Genau. Wenn ich dann mit irgendwas unzufrieden bin, dass ich auf einmal diesen Ausraster habe, diesen Drang habe, das Bild zu zerstören, entweder zerkritzeln, zerschneiden, zerreißen, was auch immer. Ich habe jetzt sehr lange an einer Mappe für die Uni gearbeitet, an so einer gestalterischen Mappe, da hatte ich das auch ein paar mal, dass ich ein bisschen vermalt habe. Dann bin ich ausgerastet und habe dann mit dem Pinsel oder Bleistift einmal so richtig (kratzendes Geräusch) über das ganz Blatt gekritzelt, weil ich einfach so sauer war. Im Endeffekt hätte ich es wahrscheinlich noch retten können, aber ich war einfach abgefuckt.

Hannah: Ja oder du hättest es auch ganz normal nehmen können und in den Mülleimer legen können.

Mia: Theoretisch, aber das war für mich keine Option.

Hannah: Verstehe, verstehe.

Mia: Sowas hatte ich früher auch ganz, ganz oft oder das Zerschneiden oder Wegschmeißen von irgendwelchen kreativen Arbeiten.

Hannah: Das sind ja gar keine Zwangsgedanken, sondern es sind ja Handlungen, die du vorgenommen hast.

Mia: Genau, das sind die Handlungen. Bei mir ist eigentlich alles mit einer Handlung verbunden. Ich denke nicht nur, ich handle auch.

Hannah: Okay. Also hast du auch gar keine Gedanken im Sinn, die du nicht auslebst, sondern es ist immer so, dass du denkst und handelst?

Mia: Genau. Also, jetzt wo du es sagst, es ist eigentlich immer so, dass ich die Sachen dann auch umsetze.

Hannah: Du lässt nichts anbrennen, ne?

Mia: Nope. (Gelächter) Knallgas immer. Auf jeden Fall, habe ich ja auch viele Jahre alleine gelebt, viereinhalb oder so, ich hatte das eine ganz Zeit lang immer wieder dachte, „Fuck, habe ich jetzt den Herd ausgemacht?“ Ich habe den Herd an dem Tag nicht mal benutzt, „Ist das Fenster zu, ist mein Glätteisen aus?“, sowas oder, „Ist die Lampe aus?“. Das habe ich dann immer wiederholt. Ich bin dann beim rausgehen wieder aus der Haustür, habe zugemacht, dachte mir so, „Kacke, war der Herd jetzt wirklich aus, oder war der vielleicht doch noch auf Stufe eins?“. Das habe ich dann immer hin und her gemacht. Es ist öfter vorkommen, also nicht immer, wenn ich aus dem Hause gegangen bin, aber öfter, als dass ich einfach gehen konnte.

Hannah: Hattest du mir nicht mal erzählt, dass du dann auch Fotos davon gemacht hast, dass du den Herd dann abfotografiert hast, oder ist das jetzt einfach nur, weil ich das vielleicht schon mal irgendwo gehört habe?

Mia: Ne, das habe ich nie gemacht, aber das ist voll die gute Idee.

Hannah: Ja, weil dann sieht man ja, ey, das Foto habe ich gerade gemacht, der ist aus.

Mia: Ja, ist echt eine gute Idee.

Hannah: Also tappe ich nicht wieder in die Zwangs-Falle. (Gelächter)

Mia: Ich glaube, am aller allerschlimmsten hatte ich es mit meinem Wecker und mit Messern. Mit meinem Wecker war das so, wenn ich jetzt zum Beispiel um 7:30 Uhr aufstehen sollte, meine Wecker um 7:15 Uhr, 7:20 Uhr, 7:25 Uhr, 7:30 Uhr, 7:35 Uhr usw. klingelten. Es musste ca. eine halbe Stunde abgedeckt sein, weil ich Angst hatte.

Hannah: Immer eine halbe Stunde?

Mia: Manchmal mehr, manchmal weniger, je nachdem. Auf jeden Fall nicht nur Punkt 7:30 Uhr, sondern immer davor und danach. Dann hatte ich überall diese grünen Balken, dass die Wecker angeschaltet waren. Wenn ich dann beispielsweise noch gelesen habe oder generell an meinem Handy war, habe ich immer wieder geschaut, ob die Wecker wirklich an und zur richtigen Uhrzeit gestellt sind.

Ihr müsst euch das so vorstellen, dass ihr wirklich im Bett liegt, am Handy seit, ein Buch lest, irgendwas spielt und jede zwei Minuten auf das Handy guckt, das Handy entsperrt, guckt sind die Wecker an, sind die zur richtigen Zeit gestellt, wieder aus. Dann kam der Gedanke so, „Shit, habe ich jetzt vielleicht doch die Wecker ausgestellt, als ich gerade mein Handy gesperrt habe, bin ich vielleicht irgendwie da dran gekommen?“ Das geht wirklich eine Stunde lang, dass ich immer wieder auf mein Handy gucke und teilweise liege ich auch in meinem Bett, kurz vor dem Einschlafen und dann auf einmal so, „Scheiße habe ich die Wecker eigentlich gestellt, nicht das ich morgen verschlafe.“ Es ist einfach fucking belastend gewesen.

Hannah: Da kann man ja auch nicht gut schlafen und lesen kann man eigentlich auch vergessen, nach jedem Satz, ach ich schau mal, was der Wecker macht.

„Messerklingen muss ich an meinem Handrücken testen.“

Mia

Mia: Ja und es ist auch so, ich bin dann mitten in der Nacht aufgewacht, habe auf die Uhr geguckt und dachte mir so, „Fuck sind die Wecker gestellt, sind die zur richtigen Zeit gestellt?“ Das ist dann natürlich auch nochmal voll die Unterbrechung. Erholsamer Schlaf war das nicht, ne.

Ich glaube aber, meine schlimmste Zwangsstörung war, mit Messern zu arbeiten. Jedes Mal, wenn ich ein Messer benutzt habe, egal ob es jetzt ein Küchenmesser oder ein Cuttermesser war, musste ich mit der Klinge über meinen Handrücken fahren, auch mit ein bisschen Druck, um zu testen, ob das Messer auch scharf ist. Ich habe mich nie geschnitten, aber das Messer hat immer so ein Kratzen hinterlassen und so einen weißen Strich. Vielleicht kennt ihr das, wenn man sich irgendwo schneidet, dass es keine Verletzung wird, aber so einen weißen Strich hinterlässt auf der Haut.

Hannah: Oder man mit einer Nadel an der Haut hängen bleibt.

Mia: Genau. Das musste ich jedes Mal machen, wenn ich mit einem Messer gearbeitet habe, weil ich konnte das Messer sonst nicht benutzen. Ich hatte so ein größeres Küchenmesser, damit konnte ich gar nicht mehr arbeiten, weil ich schon so Angst vor diesem Zwang hatte, mit dem Messer über meinen Handrücken zu fahren, dass mir auf einmal mein Kopf sagt, „Hey baller dir das Messer doch einfach mal in den Bauch rein.“, und das ich dem Zwang dann auch nachgebe, mir das Messer in den Bauch ramme und auf einmal denke so, „Ja, war vielleicht doch nicht so die beste Idee, ne?“

Hannah: Ich weiß gar nicht, was man dann denkt, aber das klingt nicht so clever.

Mia: Ne und das war wirklich auch sehr belastend. Ich hatte mega Angst vor Messern, insbesondere vor diesem großen Küchenmesser. Das habe ich auch immer ganz hinten im Regal irgendwie verstaut, nur weg von mir. Ich bin ja früher auch geschlafwandelt und im Schlaf reden ich und so…

Hannah: Ganz viel reden. (Gelächter)

Mia: Ja und das Messer habe ich wirklich so gut versteckt, weil ich Angst hatte, dass ich im Schlaf rumgehe in meiner Wohnung und mich verletzte mit dem Messer. So weit ging es schon, dass ich wirklich Angst vor mir und vor dem Messer hatte.

Momentan habe ich das mit meiner Wohnungstür hier im Studentenwohnheim. Die Tür ist auch von außen zu öffnen. Wenn sie nicht abgeschlossen ist, ist wie so eine ganz normale Zimmertür. Es ist ganz oft so das ich zurückgehe so, „Kacke, habe ich abgeschlossen, habe ich nicht abgeschlossen?“ Das mit dem Wecker habe ich aktuell auch so ein kleines bisschen, aber ansonsten ist es alles ein bisschen abgeflacht. Was gut ist.

Hannah: Wird es denn wieder mehr oder bleibt es jetzt erstmal konstant oder hast du Momente, wo es mehr oder weniger ist?

Mia: Also ich habe jetzt die letzte Zeit gemerkt, dass es wieder angestiegen ist, dass ich dann immer wieder guckt habe, ah Mist, ist meine Tür jetzt zu, oder ist der Wecker gestellt? Aber ich habe so ein paar Tricks um dem zu entgehen. Da reden wir dann später nochmal drüber. Erzähl du mal. Was sind deine Erfahrungen mit Zwangsstörung und Zwangsgedanken etc.?

Hannah: Ich habe tatsächlich ganz oft Zwangsgedanken und es kommt auch öfter mal zu Handlungen, aber viel mehr die Gedanken, die ich nicht auslebe. Ich wurde als ich in der…

Mia: Ey, wie interessant!

Hannah: Ist es, ja. (Gelächter) Wie der Zufall es so will.

Mia: Es passt wie immer Arsch auf Eimer. Nennt man das nicht so?

Hannah: Ja, doch.

Mia: Wie Faust aufs Auge.

Hannah: Ich bin der Eimer.

Mia: Du bist der Deckel zu meinem Topf.

Hannah: Ich bin der Eimer, du bist der Arsch. (Gelächter) Wo ich in der Psychiatrie war, der ein oder andere kennt es vielleicht, füllte ich ganz oft psychologische Tests und Ankreuzbögen aus. Von der Psychologin dort wurde ich auch als überdurchschnittlich zwanghaft eingestuft. Das heißt jetzt noch nicht, dass ich wirklich zwangsgestört war, sondern ich hatte einfach gewisse Züge, weil das auch oft mit einer Persönlichkeitsstörung einhergeht. Die Borderline-Störung wurde bei mir nicht diagnostiziert, aber ich tendiere zu einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Bei mir sind es ganz oft Wiederholungen, also so ritualisierte Handlungen. Das ist mir ganz, ganz wichtig.

Mia: Was genau meinst du damit?

Hannah: Ich hatte zum Beispiel Wellensittiche, wie du weißt.

Mia: Oh, yes.

Hannah: Kleine, süße Wellensittiche. Ich bin voll der Vogelfan. (Gelächter) Ich hatte das immer so, dass ich Abends zu denen einen Satz gesagt habe.

Ich habe immer deren Namen genannt, das war dann zum Beispiel, „Gute Nacht Vogel eins, gute Nacht Vogel zwei.“ Dann habe ich gesagt, „Gute Nacht Vogel zwei, gute Nacht Vogel eins.“ Dabei konnte ich den Satz nicht unterbrechen. Nur einen Satz davon zu sagen ging nicht, weil ich dann dachte, der eine wird benachteiligt. Ich war nicht glücklich, ehe diese beiden Sätze so gesagt wurden.

Mia: Ja okay, verstehe.

Hannah: Es ging auf gar keinen Fall, dass ich nur den einen Namen vorne sage, weil dann hätte ich mich einfach schlecht gefühlt. Ich musste das dann jeden Abend gemacht und ich bin auch nicht ins Bett gegangen, bevor ich das nicht gesagt habe. Ich war dann ganz nah bei denen am Käfig, das ist jetzt ein bisschen gruselig, aber so ist das nun mal. (Gelächter)

Mia: Aber die haben sich bestimmt gefreut und es hat sich definitiv auf jeden Fall keiner von denen benachteiligt gefühlt.

Hannah: Ja, wehe, wenn. Gegrillt hätte ich die. (Gelächter) Scherz.

Mia: Lecker chicken nuggets, Vogel nuggets.

Hannah: Ja Mini-Nugget. Aus zwei kleinen Wellensittichen gibt es einen kleinen Nugget.

Mia: So zusammen gepresst.

Hannah: Da kommt nichts bei rum. Ja, okay. Stopp. Nein. Wir sind beide sehr, sehr tierlieb, unsere Gedanken sind gerade kurz mit uns durchgegangen. Das muss man uns verzeihen.

Mia: Ja, das passiert des Öfteren. Hehe.

Hannah: Viele von meinen Freunden kennen das wahrscheinlich – ich habe ganz viele Rituale. Zum Beispiel muss ich mein Essen immer in einer gewissen Reihenfolge essen. Du klatschst dir gerade gegen die Stirn weil…

Mia: Ja, weil ich gerade an etwas erinnert werde. Ich habe gerade voll den Flashback, wo wir beide mit, nennen wir sie jetzt mal Anna, durch die Stadt gegangen sind und einer von euch beiden hat angefangen von wegen man darf nicht zwischen zwei Pöllern hergehen, das geht…

Hannah: Ich.

Mia: Du. Da denke ich heute noch dran. (Gelächter)

Hannah: Ja stimmt. Da habe ich total vergessen. Also ich gehe nicht zwischen zwei Pöller, durch. (Gelächter) Und wenn ich da durch gehe, dann segne ich mich.

Mia: Ich habe das immer selber entschieden für mich, dass ich damals, wenn ich durch Pöller gegangen bin, dass ich währenddessen meine Finger gekreuzt habe. Dass es praktisch wieder aufgehoben wird.

Hannah: Wieso sind wir so?

Mia: Weiß ich nicht, aber du hast mir das übelst in den Kopf gemeißelt. So, in mein Hirn, dass ich da heute immer noch dran denke.

Hannah: Oh Gott.

Mia: Ich meine, ich gehe trotzdem durch Pöller und ich glaube auch nicht das es mir unglücklich bringt, aber damals bin ich dann wirklich außen rum um nicht zwischen irgendwelchen Pöllern herzugehen oder dabei meine Finger gekreuzt habe. Jetzt denke ich da teilweise immer noch dran, dass ich da durch gehe und denke so, „Ach ja, damals haben wir das nicht gemacht.“

Hannah: Sorry, dass ich dich so geprägt habe. Aber ich kann heute noch nicht durch Pöller gehen, ohne mich zu segnen. Also, wie dumm, zu segnen! Du weißt ganz genau, was ich gerade erzählt habe über Religion.

Mia: Ja! Eben! Deswegen wollte ich gerade sagen so, das macht null Sinn einfach.

Hannah: Es geht auch nicht. Ich mache so eine ganz schnelle Handbewegung, weil ich kann mich ja nicht immer segnen nachdem ich durch Pöller gehe.

Mia: Ja, ja. Deswegen fingers crossed. Vielleicht hilft es bei dir auch.

Hannah: Ne,ne,ne. Stopp. Also ich muss das weiter machen. (Gelächter) Deswegen reden wir ja auch darüber. Also fingers crossed kann ich nicht machen, weil das ja was anderes wäre.

Mia: True.

Hannah: Kriege hier schon wieder Zitteranfälle. (Gelächter)

Mia: Weil du dir überlegst, wie du mit fingers crossed durch so Dinger marschieren würdest.

Hannah: Ja.

Mia: Ja sorry, aber da musste ich gerade dran denken.

Hannah: Witzig. Ja, das hatte ich total vergessen. Aber das ich ja nicht nur bei Pöllern so, sondern ich habe auch so eine Reihenfolge beim Essen. Viele von meinen Bekannten fragen immer, „Wieso isst du so komisch.“ Aber für mich, wenn ich das Essen nicht nach einer bestimmten Reihenfolge esse, ist es für mich nicht essenswert. Es schmeckt mir nicht.

Mia: Okay. Hast du immer dieselbe Abfolge, oder kommt es darauf an, was du vor dir liegen hast? Also sagen wir jetzt mal, du hast vor dir einen Teller mit Reis, wo ein bisschen Soße darauf ist, dann hast du vielleicht noch gegrilltes Gemüse und weiß ich nicht, ein Stück Fleisch daneben. Du isst ja Fleisch, manchmal.

Hannah: Esse ich nicht so oft das Gericht, aber ja.

Mia: Und dann hast du noch ein Schälchen mit so ein bisschen Salat drin.

Hannah: Salat, Gemüse, Reis, Fleisch.

Mia: Ach so. Also du machst es dann auch nicht so, dass du das Gemüse mit dem Reis dann mischt und das dann isst einzeln, sondern das wird immer…

Hannah: Doch, das wird vorher gemischt und danach picke ich es wieder raus und kratze es vom Fleisch ab. Ich habe fast für jedes Gericht eine gewisse Reihenfolge. Es gibt kaum ein neues Gericht wofür ich keine Reihenfolge habe, und wenn, dann baue ich mir die.

Mia: Mh, okay.

Hannah: Auch bei Pizza. Ich esse sie immer vom Rand. Ich habe sie dann ganz witzig in der Hand. Es wird immer zuerst der Rand gegessen und dann das Innere. Bei Burger werden immer die Brötchen zuerst gegessen und dann das Innere.

Mia: Aber ist es wirklich einfach nur wegen des Zwangs oder sagst du auch, beispielsweise mit der anderen Reihenfolge, mit meinem fiktiven Gericht gerade, dass du sagst, „Das Fleisch schmeckt am besten, das esse ich zuletzt.“

Hannah: Es ist schon so, dass das Beste als letztes kommt.

Mia: Okay.

Hannah: Aber sagen wir mal, ich bin jetzt relativ satt. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger mehr, dann mache ich das trotzdem. Obwohl der Verstand ja sagen würde, „Dann iss doch das leckerste zuerst.“ Das, was du nicht so gerne magst, bleibt dann übrig, aber das geht nicht. Ich muss dann tatsächlich trotzdem das „ekelige“ zuerst essen und dann das leckere. Das kann ich schon gar nicht mehr, dann platzt mein Magen ja.

Mia: Ich wollte gerade sagen, du muss den Teller trotzdem leer essen.

Hannah: In meinem Leben habe ich vielleicht dreimal oder so, etwas stehen gelassen.

Mia: Krass, dann bis du definitiv nicht für das schlechte deutsche Wetter zuständig. Hehe.

Hannah: Ganz genau.

Mia: Eher ich damals als child. Egal. Was hast du noch so auf Lager?

Hannah: Weiter geht es. Ich habe zum Beispiel auch Regeln in meinem Haushalt, Nahrungsmittel und Ordnung. Ich habe überall irgendwelche verstecken Regeln oder Ordnungen auch bei Nahrungsmitteln generell. Zum Beispiel gibt es bei mir das Symmetrie Bestreben. Alles hat seinen Platz. Wenn zum Beispiel Freunde kommen und etwas umstellen, die nehmen dann zum Beispiel was auf meinem Regal, gucken sich das an, voll cool und legen das dann an eine falsche Stelle. Kriege ich die Krise. Also, es muss genau da hin. Es bleibt alles so, wie es ist.

Mia: Aber wer nimmt denn was raus und stellt es an einen anderen Platz? Was hast du für Freunde, Alter?

Hannah: Ich gebe dir mal ein paar Adressen, ne? Nein, und ich kann das wirklich nicht aushalten und ich lege das dann wieder dahin oder ich sage, „Kannst du es bitte wieder dahin stellen, wo es war?“ Das klingt meistens so aufbrausend, dabei meine ich das gar nicht so. Mein Ordnungszwang oder irgendwas wird auf jeden Fall bei mir gestört, wie so ein Sender.

Oft mache ich das dann selber. Zum Beispiel auch, „Ja, kannst du hier die Spülmaschine für mich einräumen?“ Oder Freunde wollen mir einen Gefallen tun und ich denke, „Halt, Stopp, das glaube das brauchst du nicht machen, weil ich sonst eh die Krise kriege. Ich mache das lieber selber.“

Mia: Weil du es im Endeffekt dann wahrscheinlich eh nochmal neu machst.

Hannah: Genau, ja.

Mia: Wie jetzt zum Beispiel mit der Spülmaschine, dass du die nochmal umräumen würdest.

Hannah: Ja, ja. Genau, ich würde die umräumen und auch beim Ausräumen, da hat alles einen festen Platz und wenn das da nicht steht, dann bin ich unglücklich. Keine Ahnung, bin unzufrieden, ich kriege Bauchschmerzen. Total bescheuert, aber so ist das nun mal.

Mia: Vielleicht können wir uns deinen Ordnungszwang ein wenig teilen.
Hannah: Gerne, gerne.

Mia: Weil, also ich meine, ich bin in Sachen Ordnung…

Hannah: Ich weiß….

Mia: Nein, Stopp mal ganz kurz. Seit ich hier in der Wohnung wohne, ist es eigentlich immer ganz gut so. Aber dann gibt es trotzdem noch Tage wo ich mir mein Brot mit einem Löffel beschmieren muss, weil alle Messer dreckig sind und ich noch nicht abgespült habe. (Gelächter)

Hannah: Wieso spülst du dann nicht ein Messer ab?

Mia: Weil ich keine Lust habe.

Hannah: Okay. Ja verstehe ich.

Mia: Und es geht soweit, dass ich wirklich alle Löffel durch benutze zum Beschmieren, bis hin zu allen scharfen Messer, mit denen man eigentlich irgendwie Gemüse schneidet oder so. Wenn das alles benutzt ist, dann fange ich an abzuspülen.

Hannah: Wow!

Mia: Deswegen. Vielleicht könntest du mir dann in den Situationen was davon abgeben, dass ich direkt meinen Arsch hochkriege.

Hannah: Sag Bescheid.

Mia: Und zukünftig nicht mehr mein Brot mit Löffeln beschmieren muss. Naja.

Hannah: Kein Problem. Sag Bescheid und ich mache das.

Ich hatte früher ganz ausgeprägt, weißt du auch gar nicht, einen Berühr-Zwang. Ich habe mir früher immer die Finger verbrannt, weil ich zum Beispiel immer an Lampen gefasst habe. Also, ich habe alles angefasst. Wenn ich dann mit meinen Eltern im Möbelhaus in der Lampenabteilung war, habe ich jede Lampe angefasst. Ganz oft waren die sehr heiß, weil die natürlich die ganze Zeit an sind. Meine Eltern wusste es auch schon und haben auch versucht mich immer wegzuholen. Ich sage mal so, Möbel kann ich anfassen, da passiert jetzt nichts. Aber bei Lampen ist das was anderes.

Ich habe das immer noch teilweise, dass ich oft viel anfassen muss. Auch einfach so, weil ich die Textur dann spüren muss. Aber es ist nicht mehr so schlimm. Es ist ein bisschen abgeflacht, ähnlich wie bei dir. Das ist eigentlich ganz gut.

Mia: Wonach machst du es abhängig, dass du was berühren musst? Einfach wenn es interessant aussieht, weil es irgendwie ein besonderes Möbelstück ist oder eine besondere Lampe? Oder kommt dir das einfach in den Sinn und du denkst so, „Von den drei Lampen muss ich jetzt diese zwei anfassen.“?

Hannah: Ja, es kommt mir einfach in den Sinn, dass ich das dann jetzt muss. Also, es ist auch nicht nur im Möbelhaus. Es ist generell, auch draußen. Dann spaziere ich und denke mir, „Oh, von dem Baum muss ich jetzt die Rinde anfassen.“ Und dann gehe ich weiter ein Stück und dann denke ich mir, „Warte mal, ich muss die Rinde nochmal anfassen.“ Oder ich gehe dann wieder ein Stück weiter und muss die Rinde von einem anderen Baum anfassen.

Mia: Hast du das jetzt zum Beispiel auch in deiner Wohnung, in deiner Umgebung, wo du ja eigentlich alles kennst und du ja…

Hannah: Ne, da habe ich das nicht.

Mia: Weil du da schon alles abgetastet hast, wahrscheinlich? (Gelächter)

Hannah: Bestimmt. Man muss mich wie so eine kleine Eidechse in meiner Wohnung vorstellen, weil ich die ganz Zeit so rum tippel und alles probiere.

Mia: Alles antatscht.

Hannah: Ne, zuhause habe ich das tatsächlich nicht.

Mia: Hattest du das bei mir, als du mich besucht hast? Hast du meine Unterwäsche angetatscht, weil du auf einmal Bock hattest, meine Unterwäsche anzutatschen?

Hannah: Scheiße. Jetzt hast du mich erwischt. Das ist mir jetzt richtig unangenehm. (Gelächter) Ne, hatte ich auch nicht, komischerweise. Ich weiß es nicht. Also wie gesagt, es ist ja so ein bisschen abgeflacht. Das hatte ich jetzt tatsächlich nicht. Ich habe es oft, Möbelhäuser triggern mich vielleicht ein bisschen. Machen wir vielleicht auch eine Triggerwarnung mit Möbelhäusern. (Gelächter)

Mia: Triggerwarnung, wir reden intensiv über Möbelhäuser heute.

Hannah: Nein, es ist ganz komisch. Aber ich bin froh, dass es nicht mehr so ist, weil ich muss sagen, es hat mich oft belastet, weil du kannst ja auch nicht immer alles anfassen.

Mia: Ja vor allem, wenn du jetzt in so einem Geschäft bist, dann bist du ja Reiz überflutet von Dingen, die du alle anfassen willst. Dann machst du ja nichts außer denken, „Oh das muss ich anfassen, das, das, das, das, das“, dann kannst du ja keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Hannah: Ja, genau.

Mia: Übelst belastend stelle ich mir das vor. Auch, wenn du spazieren bist. Du bist draußen in der Natur zum Abschalten, willst über irgendwas nachdenken, dann kommt dir die ganz Zeit in den Sinn, dass du noch hier und da irgendwas anfassen muss. Alles andere als entspannt.

Hannah: Du kannst es dir echt gut so vorstellen wie mit deinem Wecker, dass du Abends im Bett liegst und dir denkst, „Mein Wecker, mein Wecker.“

Mia: Oooh my goodness.

Hannah: Und ich denke dann so, „Oh das muss ich anfassen, oh das auch und das und das und das. Aua, ich habe mich verbrannt.“ Irgendwie auch total blöd, aber…

Mia: Stell dir mal vor, du hättest deine Fingerkuppen schon so richtig verkohlt und so richtig voll mit Hornhaut, dass du dich gar nicht mehr verbrennen kannst.

Hannah: Boah, das wäre voll cool. Und ein bisschen ekelig, aber auch echt ein bisschen cool. Dann könnte ich Öfen anfassen, weil bei Öfen habe ich auch immer das Bedürfnis, weil die oft aus so einem Material sind, den ich so, weiß ich nicht, cool finde. Okay, das klingt jetzt gruselig, aber… (Gelächter)

Mia: Ich habe nur das Bedürfnis, alle Katzen anzufassen.

Hannah: (Gelächter) Ich habe bei Meerschweinchen oft das Gefühl oder bei kleinen Tieren, wenn ich die streichel, dass ich die ganze Zeit so runterdrücken muss.

Mia: (Erstauntes Gelächter)

Hannah: Ich würde niemals…

Mia: Du kommst unseren Katzen nie wieder nahe.

Hannah: Nein, also nicht falsch verstehen. Ich würde niemals ein Tier quälen oder das verletzen oder irgendwen überhaupt verletzen, aber der Gedanke ist da. Also ich will das runterdrücken ganz doll bis das quietscht.

Mia: (Erschrockenes Einatmen) Boah, da holst du gerade eine Erinnerung von mir hoch. Und zwar, ich habe keine Höhenangst, aber wenn ich auf hohen Brücken stehe, ohne Geländer, das macht mir Angst, dass mein Körper mit kurz sagt, „Ja, komm los spring.“ Dass ich es dann auch wirklich mache. Ich war mal auf so einem ganz krassen Hochhaus ganz oben, ich konnte mich nicht ans Geländer stellen. Ich hatte keine Angst vor der Höhe, ich hatte Angst davor, dass ich mich darunter werfe. Ja, kurzer Einschub. Du holst alle Tiefen aus mir heraus.

Hannah: Auch wieder ein Exkurs. Das ist doch toll.

Mia: Alle Sachen, die ich schon längst irgendwo in meinem Gedächtnis eingesperrt hatte.

Hannah: Oh man, ey.

Mia: Du bist der Schlüssel dazu.

Hannah: Kein Problem. (Gelächter) Ja jetzt kommt eigentlich was Banales sage ich jetzt mal, aber…

Mia: Vergleichbar mit den Seifenblasen von mir?

Hannah: Ja! Ne, so banal dann auch nicht. (Gelächter) Ja, also wie ihr schon gehört hattet in der letzten Folge hatten wir darüber gesprochen, dass ich mir ja auch Lebensmittel verboten habe. Ich denke immer daran, wenn ich wieder etwas esse, oder wieder etwas trinke, was ich mir verboten habe, dass mir etwas Schlimmes passiert. Ich habe tatsächlich echt Angst vor den Lebensmitteln. Also zum Beispiel ist das bei mir ja jetzt mit Alkohol so. Ich habe mir verboten Alkohol zu trinken vor zweieinhalb Jahren. Ich habe panische Angst davor mittlerweile.

Mia: Dass wenn du Alkohol trinkst dir dann irgendwas passiert?
Hannah: Ne. Ja, ja doch genau. Also das mir dann irgendwas passiert. Also klar kann bei Alkohol was passieren, aber sagen wir es wäre jetzt Cola oder so. Dann hätte ich Angst das mir was passiert oder ich verzichte oft auf Zucker, oder versuche es so ein bisschen einzubauen. Irgendwann entwickele ich so eine Angst davor, weil ich mir denke, „Wenn ich zu viel Zucker esse, mein Körper bricht zusammen.“

Mia: Mh, okay.

Hannah: Also das denke ich mir und dann versuche ich das immer so wieder zu neutralisieren und zu sagen, „Nein, das ist nicht so. Dir passiert da nichts. Du kannst das ruhig essen.“ Das ist auch super anstrengend, weil ich mir denke, also ich verbiete mir das ja dann mal gerne, was ich nicht tun sollte, aber naja, anders Thema. Und dann kriege ich auf einmal eine Angst davor. Ja, das ist ja toll, fantastisch. Mentale Krankheiten sind so toll, weil die immer so richtige Kettenreaktion auslösen. Das ist einfach richtig geil.

Mia: Aber hast du das jetzt beispielsweise mit Lebensmitteln wie jetzt zum Beispiel mit Alkohol, das hast du dir ja jetzt einmal verboten und sagst, „Nie wieder“ oder hast du das auch teilweise, dass du dir sagst, „Okay, für einen Monat lang esse ich jetzt, keine Süßigkeiten“. So oder „Ganz oder gar nicht“?

Hannah: Ganz oder gar nicht.

Mia: Ach so.

Hannah: Ja, das ist ganz schlimm. Ich versuche dann immer zu sagen, „Ja komm machen wir eine Woche.“, und dann will ich das immer mehr ausdehnen, weil mein Leistungsdruck da so hoch ist. Ich will es mir selber beweisen. Und wie gesagt, dann kommt die Angst, dass wenn ich jetzt auch meinem Leistungsdruck nachgebe, was passiert.

Mia: Ah, dass dich das dann… Okay, verstehe, verstehe. Egal wie du es machst, du machst es immer falsch. So deines Denkens nach.

Hannah: Ja, mein Hirn sagt das. Das ist manchmal ein bisschen gemein.

Wenn du jetzt gerade auf dem Sofa hockst oder im Bett liegst, stehe einmal auf und gehe ein paar Schritte, bewege deine Arme oder lass dein Kopf kreisen. Bringe mehr Bewegung in deinen Alltag. Gehe das nächste mal die Treppen oder fahre mit dem Fahrrad anstatt das Auto zu nehmen.

Reminder | mind me

Hannah: Ja jetzt wollte ich mal ganz kurz zwischen fragen. Was waren deine schlimmsten Gedanken oder Handlungen? Das war das mit dem Messer, oder?

Mia: Definitiv. Also…

Hannah: Und mit der Klippe finde ich auch irgendwie nicht so toll. Aber okay.

Mia: Ja es ist auch nicht empfehlenswert da irgendwo oben zu stehen und zu denken, „Ja hier jetzt einmal kurz runterspringen, easy going.“ Es war wirklich so, dass ich dann einen Schritt zurückgehen musste, weil es war mir einfach zu krass. Und das schlimmste war wirklich mit dem Messer, weil egal wo ich war, ob ich jetzt bei der Arbeit war und da mit einem Cuttermesser gearbeitet habe oder hier Zuhause gekocht habe, ich musste immer mit der Klinge über meinen Handrücken gehen, um zu gucken, wie scharf es ist.

Hannah: Ja, ich habe das einmal gesehen, dass du es gemacht hast, einmal mit dem Küchenmesser. Ich dachte mir auch nur so, „What the fuck.“ Aber okay…

Mia: Oh echt?

Hannah: Ja, das war da wo wir uns nach langer Zeit wieder getroffen haben.

Mia: Ups.

Hannah: Genau und da hatten wir auch was zu essen gemacht. Ich dachte mir, das Messer ist vielleicht dreckig oder nass. Aber du hast das dann so komisch gemacht und ich wollte dich nicht darauf ansprechen. Ich glaube, du hattest das dann irgendwann auch nochmal erzählt. Und dann hat es klick gemacht und wusste, „Ach so, deswegen hast du das so komisch gemacht.“

Mia: Krass, das wusste ich gar nicht, dass ich das auch vor dir dann gemacht habe.

Hannah: Aber nur einmal habe ich das gesehen, aktiv.

Mia: Ja, aber, dass ich das nicht irgendwie so versucht habe zu verstecken.

Hannah: Du hast es versucht zu verstecken.

Mia: Ach so! Ich war nur grottig da drin.

Hannah: Ja, ich konnte in die Küche reingucken und du standest mit dem Rücken zu mir, aber ich konnte dich noch gut sehen.

Mia: Du konntest noch so an mir vorbei gucken praktisch, auf meine Hände.

Mia: Ja und diese panische Angst vor den Messern, dass ich einmal kurz diesen Gedanken habe, „Komm, schneide dir die Kehle auf, steche es dir in den Bauch.“, obwohl ich mich zu dem Zeitpunkt nicht umbringen wollte. Ich meine, ich will mich jetzt auch nicht umbringen.

Das hat mir natürlich auch mega Angst gemacht. Habe ja erzählt, dass ich das dann ganz hinten im Regal irgendwie verstaut habe. Das habe ich auch mit meinem Therapeuten in den Griff bekommen. Die therapeutische Arbeit war auch sehr anstrengend, also das in den Griff zu kriegen. Aber jetzt arbeite ich damit, als wäre nie was gewesen.

Hannah: Bevor wir jetzt auf unsere Lösungen kommen, würde ich auch gerne noch meinen zwei schlimmsten Gedanken teilen.

Mia: Ja, ich wollte dich auch gerade fragen, bevor du mir so unhöflich ins Wort gefallen bist. (Gelächter)

Hannah: Unhöflichkeit gehört zu meinen Stärken.

Mia: Spaß! Ich habe gedacht, du wolltest irgendwas anderes sagen, deswegen habe ich meine Frage noch zurückgehalten.

Hannah: Wir haben jetzt gerade über Schaden zufügen geredet und wir wissen ja mittlerweile alle, alle die zuhören, du weißt es, ich weiß es, ich habe ein bisschen Probleme damit.

Mia: Jap. Aktiv hast, nicht hattest?

Hannah: Aktiv habe und hatte.

Mia: Shit. Ja, okay.

Hannah: Es tut mir leid, du bist mit involviert.

Mia: Was!? Ich!?

Hannah: Alle quasi. Wenn du mich siehst in Person, dann bist du schon die Zielscheibe.

Mia: Fuck.

Hannah: Naja, egal. (Gelächter) Also zum Beispiel, wenn wir, stellen wir uns mal vor, wir beide laufen auf einer Treppe und du gehst vor mir.

Mia: Hoch oder runter? Das ist wichtig für mein…

Hannah: Ja, wir gehen beide eine Treppe runter und du bist vor mir.

Mia: Okay, okay.

Hannah: Ich denke die ganz Zeit, während ich hinter dir laufe, dass ich dich jede Sekunde schubsen könnte, dass das alles nur in meiner Hand liegt.

Ob ich trete oder schubse, das ist jetzt mal irrelevant. Der Gedanke ist so lange da, bis ich durch etwas abgelenkt werde, ob Gespräche oder du fragst mich plötzlich was, ein Geräusch oder bis die Situation vorbei is. Dann ist der Gedanke weg, aber immer auf Treppen habe ich das und stelle es mir dann auch schon bildlich vor, aber keine Sorge, ich würde es nie tun.

Mia: Ich wollte gerade sagen, ich muss mir merken, wenn wir Treppen runter gehen, dass ich dich entweder voll laber oder die Treppe runter sprinte.

Hannah: Oder einfach hinter mir gehst.

Mia: True. Wobei reden kann ich auch ganz gut.

Hannah: Ja, das stimmt.

Mia: Hättest du den Gedanken, wenn ich jetzt hinter dir gehen würde, dass du von mir geschubst werden könntest?

Hannah: Mh, ne. Also da habe ich normal Gedanken, dass du mir jetzt mal einen Nackenklatscher verpassen könntest.

Mia: Ja, oder einen Hosenzieher. Die typischen Sachen, die ich…

Hannah: Ja, ganz klassisch.

Mia: …ab und zu mal mit einbauen.

Mia: Und die zweite Situation?

Hannah: Ja, das ist ähnlich wie bei dir mit dem Messer im Bauch. Ich habe ganz oft irgendwie das Gefühl, wenn ich etwas esse, dass ich mir die Gabel in mein Bein hauen möchte. Also es ist auch nur bei Gabeln und nicht bei Messern und nicht bei Löffeln. Es ist bei Gabeln, dass ich irgendwie das Gefühl habe, ich muss das jetzt tun, weil ich möchte ja auch sehen wie das ist. Ich denke mir, „What the fuck, ich möchte natürlich nicht sehen, wie das ist.

Mia: Irgendwie auch schon.

Hannah: Ja, mein Körper möchte dann sehen, wie das ist. Ich könnte das ja einfach mal probieren, was passiert dann. So wie du mit dem Messer. Ich weiß natürlich, dass das nicht ganz normal ist und beide Dinge würde ich jetzt auch nicht tun, hoffen wir es mal.

Mia: Ich hoffe es auch für mich.

Hannah: Und die Gedanken kommen auch aus dem Nichts. Also ich esse dann meinen Salat gucke mir dann die Gabel an und denke dann, „Jetzt reinhauen!“ (Gelächter)

Mia: Wie du das gerade so gesagt hast, jetzt reinhauen!

Hannah: Ganz plötzlich.

Mia: Aber hast du dann auch schon mal sowas gemacht, wie zum Beispiel ich? Ich bin ja mit dem Messer über meinen Handrücken, aber ich habe mich ja nie richtig verletzt. Hast du auch schon mal sowas gemacht, wie dass du irgendwie mit der Gabel dann angefangen hast, dich so leicht zu stechen? Jetzt nicht reingerammt, aber einfach nur so auf dein Bein zu drücken. Oder hast du es immer nur gedacht?

Hannah: Ne, also, ich habe die ganz leicht so auf mein Bein gelegt, weil ich mir dann überlegt habe, wo ist eigentlich der Knochen? Wo kann ich dann überhaupt reinstechen? Dass das nicht weh tut auf dem Knochen. Aber es tut natürlich generell weh, ist ja egal wo ich da rein steche. Aber ist ja auch egal. Auf jeden Fall, leicht gegen gedrückt, aber sonst nicht.

Aber um das Gabel-Thema kurz abzuschließen: Ich weiß ja, dass es nicht normal ist und wie gesagt, das mit dem Schubsen mache ich nie. Keine Sorge. Auch alle die zuhören, die mich da irgendwie kennen oder so, ich schubsen euch nicht, keine Sorge. (Gelächter)

Mia: Aber finde ich interessant, dass deine Gedanken sich auch mit auf die anderen ausbreiten so, teilweise und bei mir ist es echt nur an mich gerichtet.

Hannah: Ja also, ich habe ja auch ein bisschen Probleme mit Aggressionen und du weißt, dass ich eigentlich nie jemandem, was zu leide tun könnte. Deswegen ist es auch so absurd

Mia: Das stimmt. Was machst du dann, wenn du so Gedanken hast oder in so einer Situation bist? Versuchst du dich dann zu zügeln oder lebst du es aus? Je nachdem, welche Situation es natürlich ist.

Hannah: Ich versuche dagegen anzugehen, tatsächlich außer beim Essen, weil ich das Gefühl habe, das kann ich nicht oder noch nicht, vielleicht bin ich auch einfach noch nicht bereit dazu. Ist ja auch in Ordnung, ich muss es ja in meinem Schritttempo machen, dafür mache ich es dann bei anderen Situationen, dass ich einfach versuche mir dann zu sagen, „Es ist alles gut. Du brauchst das nicht so und so machen, da passiert nichts.“ Also wenn du jetzt deinen Vögeln einmal nur den Satz sagst ohne den zweiten noch hinterher, es wird nichts passieren. Die werden nicht von der Stange fallen.

Ich versuche das dann einfach ein bisschen zu relativieren und das so ein bisschen auszuhebeln, mich abzulenken. Wie gesagt, die Kurve flacht auch total ab. Also ich denke, das hat dann auch so ein bisschen geholfen. Und wie ist das bei dir, was tust du?

Mia: Ich jetzt in Bezug auf Wecker und Tür abschließen, Herd aus, Fenster zu und so weiter. Also erstens, das, was du vorhin meintest, mit Foto ist eigentlich ein echt cooler Tipp. Dass man dann auch wirklich weiß, „Okay mein Herd ist aus. Das Fenster ist zu.“, dass man sich da immer vergewissern kann und auch freier sein ist und nicht immer daran denkt.

Hannah: Man sollte trotzdem dran arbeiten, so ist es nicht, aber es wäre eine Zwischenlösung erstmal.

Mia: Natürlich. Also was ich mache ist, in dem Moment dann total bei der Sache und total fixiert zu sein. Das ich bewusst koche und bewusst die Geräte an und ausschalte. Wenn ich rausgehe, ich meine Fenster angucken und wirklich auch wahrnehmen, das Fenster ist zu, die Balkontür ist geschlossen. Es wirklich wahr nehme und nicht nur einmal kurz drauf gucke, sondern drauf gucke und weiß, es ist alles geschlossen.

Das mache ich auch beim Wecker. Ich gucke dann noch einmal darauf und gucke ganz bewusst. Es sind alle Wecker an. Ich mache dann vielleicht nur noch zwei Wecker und ich sage ganz bewusst, „Dein Wecker steht auf 7:30 Uhr. Er ist an. Leg dein Handy jetzt weg. Es passiert nichts.“

Hannah: Sagst du es laut?

Mia: Ne, ich sage mir das nur in Gedanken.

Hannah: Okay, ja, aber das ist ja gut.

Mia: Genau also das hilft mir, dass ich dann wirklich in dem Moment da bin und nicht abgelenkt bin. Das mache ich auch bei meiner Tür so. Ich schließe ganz bewusst ab und checke noch die Tür und sage mir im Kopf, „Die Tür ist zu.“

Das mit dem Messer habe ich in den Griff gekriegt. In dem in dem ich das große Küchenmesser mit zu meinem Therapeuten schleppen sollte.

Hannah: Das ist auch gruselig, aber wir haben heute viele gruselige Themen gehabt, aber ja. (Gelächter)

Mia: Es war sehr belastend für mich. Ich habe das Messer in zwei Küchentücher eingewickelt, weil ich Angst hatte, dass ich mich selber damit erstechen könnte.

Hannah: Wenn du zum Beispiel stürzt oder einfach, dass du es rausnimmst?

Mia: Einfach dass ich irgendwo stürze, dass ich irgendwo gegen komme und dass auf einmal sich das Messer, die Messerspitze sich in meinen Rücken bohrt irgendwie.

Hannah: Und zwei Küchentücher halten das auf? (Gelächter)

Mia: Hä, ja. Klar.

Mia: Dann musste ich das Messer mit in der Therapie auspacken. Ich sollte es erstmal ganz bewusst in meiner Hand halten. Das war sehr stressig für mich. Es war wirklich belastend. Ich sollte ihm beschreiben, ist das Messer schwer, welche Form hat der Griff, ist es kalt, ist es warm und so weiter und sofort. Ich sollte das Messer richtig wahrnehmen.

Hannah: War es kalt oder warm?

Mia: Mh, am Anfang kalt, aber irgendwann hatte ich es so lange in der Hand, dass es warm wurde.

Hannah: Oh, angetatscht. Wieso hast du mich nicht angerufen? Ich hätte es gerne mal angetatscht. (Gelächter) Okay, Stopp.

Mia: Dann sollte ich mich da und zuhause auch aktiv mit diesem Messer beschäftigen. Ich sollte es nicht ganz hinten in meinem Schrank verstecken, sondern sollte damit kochen und vor der Benutzung auch nochmal aktiv wahrnehmen. Jetzt mittlerweile kann ich damit kochen, ohne dass irgendwas ist, dass ich denke, „Ich schlitze mich damit bald auf.“ Es liegt jetzt auch mit einem Brotmesser neben meiner Mikrowelle. Also theoretisch, wenn ich Schlafwandeln würde, hätte ich da auch easy Zugriff drauf. Und ich lebe noch. Also…

Hannah: Das ist gut und schön.

Mia: Bei der Konfrontation mit dem Messer hat es anfangs sicherlich auch geholfen, dass ich damit nicht alleine war, sondern dann beim Therapeuten, der mich da so ein bisschen angeleitet hat. Aber wir wissen ja alle, dass die richtige Arbeit erst nach der Therapie stattfindet, beziehungsweise zwischen den Therapiestunden und ich mich dann da auch aktiv mit beschäftigen musste.

Hannah: Ja, aber ich muss sagen, ich finde die Tipps so cool beziehungsweise den Tipp. Also klar das mit dem Auseinandersetzen kenne ich auch, aber ich muss sagen das finde ich schon cool, das mit diesem bewusst wahrnehmen und ich finde es ja sowieso wichtig, dass man auch öfter mal dieses bewusste wahrnehmen haben muss. Ich glaube, das hilft einem schon weiter. Das könnte ich mal machen beim Essen, dass ich das mir bewusst angucke, bewusst wahrnehme.

Mia: Also ich meine, belastet dich das sehr wie du dein Essen isst, oder ist es für dich jetzt mittlerweile schon zur Routine geworden? Dass du genau weißt, du isst, das, das und das.

Hannah: Es ist in Ordnung. Das einzig belastende ist, dass ich das immer erklären muss, so. Ich werde immer darauf angesprochen, weil ich picke alles raus und dann trenne ich irgendwie was und so. Aber ansonsten ist es okay.

Mia: Ich meine, dann ist es ja schon mal gut, dass die anderen Sachen sich mittlerweile ein bisschen gelegt haben. Und wer weiß, Vielleicht kommst du bei dem Essen ja auch gegen an, dass sich das von Mal zu Mal irgendwie bessert.

Hannah: Ja und das mit den Lebensmitteln, das mit diesem, dass ich mich dann immer, dass mir was Schlimmes passiert, das sollte ich auch sehr doll angehen.

Mia: Stimmt, das uhh. Stimmt, das ja.

Hannah: Ich nehme mir auf jeden Fall deinen Tipp zu Herzen.

Mia: Oh, das freut mich.

Hannah: Ja, ich kann das ja mal probieren. Ich meine, fragen kostet nichts wollte ich sagen, aber tun kostet auch nichts, ausprobieren. (Gelächter)

Mia: Hä, sonst ist es immer mein Part, so Sprichwendungen.

Hannah: Ja, die Sprichwendungen wer kennt sie nicht.

Mia: Sprichwendungen zu verkacken. Wie heißt es nochmal? Sprichwörter!

Hannah: Ja.

Mia: Sprichwörter zu verkacken.

Hannah: Ja du hast es ja jetzt schon wieder allen bewiesen, von dem her, ist ja kein Problem. (Gelächter)

Mia: Ja. Dann hoffe ich auf jeden Fall oder wir hoffen, dass ihr vielleicht auch was mitnehmen konntet und falls ihr unter sowas leidet, dass ihr das angehen könnt.

Hannah: Genau. Das ist ganz gut. Ich habe natürlich noch einen Fakt mitgebracht. Beziehungsweise, ich habe erstmal eine Frage an dich mitgebracht.

Mia: Okay.

Hannah: Was denkst du, wer, also Männer oder Frauen entwickeln eher welchen Zwang? Waschzwang und Kontrollzwang. Bitte begründe deine Antwort auch kurz und knapp.

Mia: Waschzwang im Sinne von putzen, Wäsche waschen, Hände waschen, alles?

Hannah: Waschzwang ist das du das Gefühl hast, „Oh ich habe Bakterien an der Hand, ich muss ganz oft meine Hände waschen oder duschen.“ Das ist das eher. Jetzt gar nicht mit diesem Sauberkeitsproblem, Sauberkeit von Gegenständen, sondern von einem selbst.

Mia: Das ist sehr schwer. Also so mein erster Impuls war zu sagen, Männer auf jeden Fall Kontrolle und Frauen dieser Waschzwang. Ich glaube, das kommt aber auch davon, weil ich original ganz kurz vor unserer Aufnahme noch eine True-Crime-Podcast-Folge angehört habe, wo es darum ging, dass eine Familie extrem von dem Mann kontrolliert wurde. Vielleicht wurde es dadurch so ein bisschen beeinflusst. Ich kann es ehrlich gesagt gar nicht sagen, wenn es nach mir ging hätte ich wahrscheinlich beide so ein bisschen. (Gelächter)

Puh. Ich glaube, ich sage doch, dass Frauen eher Kontrollzwänge haben und Männer das mit dem Waschen. Ich glaube es hängt damit zusammen, dass Frauen öfter diese Ansprüche an sich selber haben, dementsprechend unsicherer sind. Natürlich nicht alle Frauen, ganz klar, aber dass die Frauen dann unsicherer sind, was ihr Aussehen und ihren Charakter angeht. Deswegen kontrollierter ihrem Partner gegenüber sind um zu checken, ist er mir überhaupt treu oder geht es gar nicht um Partner?

Hannah: Kontrollzwang generell. Also Kontrollzwang ist, du musst das Gefühl haben, alles unter Kontrolle zu haben. Davon hatte ich ja auch schon mal erzählt.

Mia: Okay, dann logge ich das so ein, nur wegen dir.

Hannah: Okay. Was loggst du ein?

Mia: Frauen Kontrolle, Männer Waschzwang.

Hannah: Okay. Also laut dieser Frage bin ich ein Mann. (Gelächter) Weil es ist tatsächlich so, Frauen haben eher einen Waschzwang und Männer eher einen Kontrollzwang. Also deine erste Intuition war richtig.

Mia: Ey! Kurz bevor ich eingeloggt habe, habe ich daran erinnert das mein Bruder mal meinte, „Ey Mia, deine erste Intuition ist immer richtig.“ und dann dachte ich mir so, (Geräusch des Verneinens) „Dieses mal nicht.“ Doch.

Hannah: Ich fand es sehr interessant, weil ich hatte genau denselben inneren Konflikt wie du. Deswegen war ich auch sehr gespannt auf deine Antwort. Dazu habe ich noch mitgebracht,  2-3% der Deutschen leiden in ihrem Leben einmal an ausgeprägten Zwängen, so das Max-Planck-Institut. Fand ich auch gar nicht ohne. Man könnte jetzt meinen, das ist gar nicht so viel, aber es sind schon einige.

Mia: Ich wollte gerade sagen, aber ausgeprägte Zwänge ist ja nochmal heftiger. Ich wollte gerade auch so zuerst sagen, „Uhh, 2-3%, das ist ja jetzt gar nicht so viel.“ Aber ausgeprägte Zwänge ist schon nochmal eine Schippe drauf.

Hannah: Ja. Eine Zwangsstörung ist ja tatsächlich auch eine diagnostizierte Krankheit. Bei mir hat man festgestellt, dass ich über der Norm mit Zwängen zutun habe.

Mia: Bei mir war es ja auch so, dass ich mit meinem Therapeuten darüber geredet habe und er mir das auch diagnostiziert hat.

Hannah: Genau, ja. Dann kommen wir jetzt auch schon zu der Hilfe, die wir euch immer anbieten. Bei Zwangsstörungen ist es tatsächlich so, dass Therapien und Medikamente der richtige Weg sind. Also dass man auch wirklich zur Therapie geht (oft kognitive Verhaltenstherapie). Ich war zum Beispiel auch in einer Verhaltenstherapie. Ich glaube, du auch, oder?

Mia: Ja, ich war auch in einer Verhaltenstherapie.

Hannah: Also wem das jetzt nichts sagt, das ist dann so, dass man lernt mit gewissen Situationen umzugehen. Wie bei dem Beispiel mit Mia, die das Messer beschreiben und anfassen muss. Wie der Name schon sagt, man lernt erneut wie man sich verhält.

Bei Medikamenten muss man auch zu einem Psychiater oder einer Psychiaterin gehen. Therapeuten und Psychiater sind nochmal unterschiedlich. Ist immer ätzend, weil man immer zu ganz vielen verschiedenen Praxen rennen muss. Bei Zwangsstörungen ist es auch ganz wichtig einen Arzt aufzusuchen, weil oft kriegt man das alleine nicht in den Griff, weil man sich ja immer wieder in seine Gedanken reinsteigert.

Ich habe natürlich aber auch noch was zum Lesen mitgebracht. Bei der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankung e.V. könnt ihr mal vorbeischauen. Auch das Max-Planck-Institut für Psychiatrie informiert über Zwänge. Dort findet ihr einen Reiter mit Zwang.

Eine kleine Anekdote, die ich mal aufgegriffen habe: „Nicht der Zwang darf das Leben beherrschen, sondern das Leben den Zwang.“ Ein klasse Abschlusssatz für diese Folge.

Mia: Ich fand deinen leichten Schmunzler am Ende cute. (Gelächter) Als du das gesagt hast und dann so in die Kamera geschmunzelt hast.

Hannah: Ja, weil ich finde den Satz super. Wo ich den gelesen habe dachte ich, „Wow, was eine Weisheit.“

Mia: Mind-blowing. Dann hoffen wir, dass es euch gut geht, gerade in dieser schwierigen Zeit. Wie wir ja eben schon darüber geredet haben. Wir beide haben auch ein bisschen daran zu knabbern.

Hannah: Ja. Mir geht es auch nicht so top. Wir sind ja in einer ehrlichen, offenen Runde.

Mia: Aber es wird bergauf gehen. Also nicht den Kopf hängen lassen. Bei Fragen und Anregungen könnt ihr uns immer gerne schreiben. Entweder über E-Mail oder bei Instagram vorbeischauen, dort heißen wir mindmepodcast. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr da einmal vorbeischauen würdet.

Hannah: Ja, wäre sehr cool.

Mia: Dann sehen wir uns auf Instagram oder wir hören uns in zwei Wochen wieder.

Hannah: Sehr gut.

Mia: Achso, warte! Wir haben Ostermontag. Schöne Ostern Leute. Also nicht gerade, weil du so verwirrt guckst. Gerade haben wir den 31., aber wenn wir das hochladen, ist Ostermontag.

Hannah: Ja, Ostern, äh, ja. (Gelächter) Von mir auch frohe Ostern. Juhu.

Mia: Ja oder alle, die das Fest nicht feiern, trotzdem schöne Feiertage, schöne ruhige Tage, hoffentlich ohne Arbeit. Dann bis dahin.

Hannah: Alles klar, bis dann. Tschüss.

Mia: Tschüss.

* Transkribiert durch eine ganz liebe Zuhörerin! 💚

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