8 – Reaktion des Umfelds

№ 8

Reaktionen des Umfelds*

⚠️ Triggerwarnung: Selbstverletzendes Verhalten

„Warum bringt sie sich nicht einfach um, wenn sie nicht mehr leben will?“- Solche negativen Reaktionen finden sicherlich nicht so oft statt, aber es gibt sie und sie haben eine große Wirkung. Die Reaktionen deines Umfelds können ganz unterschiedlich ausfallen, wenn du ihnen erzählst,dass du krank bist. Wir nehmen dich mit in unser Umfeld und berichten über positive sowie negative Erfahrungen, geben Tipps für Angehörige und zeigen wie konträr Menschen mit der Kommunikation ihrer Krankheit umgehen können.


Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von mind me – Dem Podcast über die Facetten der Depression. Wir sind Mia und Hannah. Wir wollen nochmal darauf hinweisen, dass wir keinen medizinischen Hintergrund haben und lediglich unsere Erfahrungen und Meinungen teilen. Möchten Betroffenen Mut machen und sie wissen lassen, dass sie nicht alleine sind.

Hannah: Ich glaube wir haben noch nie so, die Begrüßung so verkackt, weil wir so gelacht haben. Ich will dir auf jeden Fall jetzt was von meinem heutigen Tag erzählen.

Ich hatte heute einen ganz normalen Arbeitstag und als ich dann zu meinem Auto gegangen bin um 16:30 Uhr ungefähr, da ist mir ein Kollege sozusagen über den Weg gelaufen und ich habe dann schönen Feierabend gewünscht. Dann dreht er sich zu mir um und ihr müsst wissen ich habe zu 90% meine Haare offen bei der Arbeit und zu 10% meine Haare in einem Zopf oder Dutt. Dann spricht der Kollege mich an und sagt, „Aber morgen wieder offen, ja?“ Dann habe ich mich so umgedreht, „Ähm, was?“, „Ja, wenn ich mir doch schon wünschen kann, dann möchte ich, dass du deine Haare offen trägst.“ Und ich war schockiert.

Mia: Er kann sich das nicht wünschen. Ist der dumm?

Hannah: Ich war wirklich schockiert. Vor allem Dingen, weil er auch schon älter ist. In dem Moment war ich überfordert und ich so, „Hehe, okay“. Ich bin zum Auto gegangen und dachte mir: „Was zur Hölle ist da gerade passiert?“

Mia: Hä, was ist das für ein schmieriger, ekeliger?

Hannah: Ja, ja, ja.

Mia: Und dann auch noch so, „Wenn ich mir das schon wünschen darf…“ So ey, nein. Ich habe dich niemals gefragt, was du dir wünscht, hä.

Hannah: (Gelächter) Ich dachte mir auch. Ich weiß nicht, ob du es wusstest, aber ich hatte mir damals meine Haare, die ja wirklich fast bis zum Popo gingen, abgeschnitten. Mir wurden die immer angetatscht, wenn ich beispielsweise feiern war. Ich bekam ganz ekelige Kommentare dazu und deswegen habe ich die abgeschnitten.

Mia: Es ist so krank.

Hannah: Ganz, ganz, ganz doll, ja. Jetzt habe ich sie wieder ein bisschen länger.

Mia: Das ist so krank, dass sie das als Einladung nehmen, aber auch krank, dass du dich wegen sowas veränderst, weil du dich so unwohl fühlst. Ich hatte das auch. Ich trage zum Beispiel im Sommer kaum noch kurze Hosen.

Hannah: Ja, stimmt, das hast du mal gesagt.

Mia: Weil ich die Blicke so ekelig finde.

Hannah: Naja auf jeden Fall wollte ich dir das kurz erzählen. Meine kleine Erfahrung heute.

Mia: Ekelhaft.

Hannah: Sehr amüsant, aber sonst war mein Tag ganz gut. Wie war es denn bei dir eigentlich heute?

Mia: Ja, es freut mich, dass dein Tag gut war. Bei mir war heute der Wurm drin. Seit zwei Wochen, ich bin so lustlos. Ich war heute beim Arzt und war danach Einkaufen und war irgendwie voll motiviert und dachte mir so, „Nice 11 Uhr und ich habe schon was erledigt.“ Ja, dann wollte ich mich eigentlich an den PC setzen, ein paar Uni-Sachen machen, habe mich aber dann doch ins Bett gelegt und war mehrere Stunden auf Instagram und YouTube unterwegs.

Hannah: Ach, Mist, ja.

Mia: Ja, dann habe ich tatsächlich angefangen auszumisten. Ich weiß nicht, aber ich habe immer das Gefühl, dass mich diese ganzen Sachen, die ich besitze, irgendwie erschlagen. Dann habe ich angefangen bei der Küche ein paar Sachen auszusortieren und werde die dann, falls es möglich ich, die Tage zu einem Sozialkaufhaus bringen. Hauptsache ich bin es los.

Hannah: Ja, ich kann es verstehen! Ein bisschen minimalistischer, ne?

Mia: Ja, ja. Ich fühle mich immer gut, wenn ich ausgemistet habe. Trotzdem habe ich noch sehr viel hier, was ich nicht benötige. Hoffentlich werde ich das die nächsten Tage auch in Angriff nehmen.

Hannah: Aber das ist doch jetzt was Gutes. Was ist denn nicht so gut gewesen? Das wegen der Antriebslosigkeit, oder?

Mia: Ja, weil ich die ganze Zeit so matsche bin und im Bett liege. Wirklich, ich habe zwischendurch versucht mir YouTube-Videos anzugucken, ein bisschen zur Motivation, aber irgendwie hatte ich auch darauf keinen Bock. Dann lag ich im Bett, habe Handball geguckt, das war so das einzige, was mir wirklich Spaß gemacht hat, heute. Sonst war ich eher so ziemlich bedröppelt.

Hannah: Das tut mir leid zu hören!

Mia: Ja, aber was soll man machen? Sogar meine Ärztin hat mich darauf angesprochen. Das wollte ich eben eigentlich auch noch erzählen. Das fand ich richtig gut. Also ich war heute bei meiner Frauenärztin, wegen des Verdachts auf Endometriose. Die Pille die ich aktuell nehme, hilft leider nicht. Deswegen sind wir gerade auf der Suche nach einer anderen. Da hat die Ärztin mich tatsächlich auch nach Stimmungsschwankungen gefragt, ob mir das aufgefallen ist. Dann meinte sie so, „Gerade bei Menschen, die dazu tendieren, sollte man das im Blick behalten.“ Das fand ich so gut, dass sie mich da irgendwie nochmal drauf angesprochen hat. Ich wurde das noch nie von einem Frauenarzt oder einer Frauenärztin gefragt.

Hannah: Ja so was die Psyche geht, ne. Nicht nur, „Ja Sie haben da irgendwas.“ Sondern auch, dass sie sagen, „Wie geht es Ihnen psychisch eigentlich? Merken sie da irgendwelche Auswirkungen?“

Mia: Ja, das fand ich mega. Dann meinte ich nur das ich es nicht einschätzen kann, entweder davon oder von meiner (gesungen) Depression ✨. (Gelächter)

Hannah: Okay, eigentlich nicht lustig, aber irgendwie schon… Das hatte ich letzens auch bei meinem Hausarzt. Nach dem ich gesagt habe, „Mit meinem Magen und Darm stimmt irgendwas nicht“, meinte er auch, „Ach wie war es eigentlich, ich sehe hier gerade in ihren Akten, Sie hatten so eine Vorgeschichte mit der Psyche. Wie ist das denn da, wie ist der Stand?“

Mir sind fast die Tränen gekommen. Also kann vielleicht nicht jeder jetzt nachvollziehen, aber ich hatte so eine Erleichterung in meinem Kopf. Ich habe ihm dann gesagt, „Oh, ne, alles super, ich lebe so vor mich hin und es ist alles gut.“ Dann bin ich ins Wartezimmer geschickt worden, weil ich noch auf etwas warten musste. Und dann habe ich im Wartezimmer angefangen zu weinen und wäre am liebsten wieder ins Zimmer gegangen, weil ich gedacht habe, „Mist. Ey, wieso hast du gelogen?“

Aber manchmal kann man ja nicht aus seiner Haut und versucht das dann doch wieder zu verstecken.


Mia: Soetwas Ähnliches hatte ich auch. Als ich bei meinem Hausarzt wegen der Besprechung der Blutwerte war, habe ich gesagt, dass es mir psychisch nicht so gut geht. Er war auch direkt sehr einfühlsam und guckte von seinem PC hoch und fragte, „Oh, was ist denn los? Sie sind ja noch neu hier.“, Ich dachte mir in diesem Moment, „Oh, kannst er mich nicht knuddeln?“ (Gelächter)

„Warum bringt sie sich nicht einfach um, wenn sie nicht mehr leben will?“

Mia

Hannah: Da freut man sich immer richtig, weil man ja auch viele doofe Erlebnisse bei Ärzt:innen erlebt hat. Nun gut, wollen wir dann mal zur Sache kommen? Worüber genau reden wir heute? Wir wollen drauf eingehen, was eigentlich unser Umfeld gesagt oder wie es reagiert hat, als er mehr über unsere Krankheit erfahren hat.

Mia: Genau und wie wir damit umgehen. Ob wir das offen kommunizieren oder es eigentlich eher für uns behalten.

Hannah: Ja. Willst du dann mal starten und von dir zu erzählen? Ich würde sagen, wir fangen erstmal damit an, wie wir selber überhaupt damit umgehen, was du gerade schon gesagt hattest. Damit wir uns so ein bisschen einschätzen können.

Mia: Ist eine super Idee. (Gelächter) Okay. Ja, also wie gehe ich damit um? Ich gehe sehr, sehr offen mit dem Thema um. Gerade mit meiner Erkrankung und meinen Gefühlslagen. Also ich habe jetzt zum Beispiel auch kein Problem in der Öffentlichkeit zu weinen, das wäre für mich nicht schlimm.

Ich kommuniziere das vielleicht auch manchmal zu oft. Also, wenn ich Leute kennengelerne, ich merke, das sind Menschen, mit denen ich auch irgendwie in der Zukunft was zu tun haben oder befreundet bin, dann öffne ich mich schon extrem. Also dann erzähle ich auch gerne und viel.

Hannah: Fällst mit der Tür ins Haus?

Mia: Ey, ich trete die Tür so was von ein. (Gelächter) Das sie richtig aus den Ankern bricht. Ne, Angeln. Sorry. Angeln. (Gelächter)

Genau. Ich bin da offen, teilweise erzähle ich das auch Fremden. Also früher, wenn ich feiern war, habe ich da auch mit irgendwelchen fremden Menschen vorm Club drüber geredet. Also mir macht das nichts.

Hannah: Bist du zufrieden? Bist du zufrieden damit, dass du so offen bist?

Mia: Total! Also ich habe das auch von Freunden öfter gehört, „Ja Mia, du musst das doch auch nicht jedem erzählen. Es geht doch nicht jeden was an und behalte das doch für dich.“ Aber gerade, wenn ich Männer kennengelernt habe, habe ich das auch relativ schnell offen kommuniziert. Was soll ich mit einem Typen, der mit sowas nicht umgehen kann und für den ich dann vielleicht irgendwann mal Gefühle entwickel. Und dann sage ich so, „Ja, übrigens, ich habe Depressionen.“, und er so, „Okay, bye.“. Weißt du? Dann will ich mich direkt von Anfang lieber absichern oder schützen.

Anfangs war ich auch zurückhaltender, aber seitdem ich mich auch besser verstehe und verstehe was mit mir eigentlich los ist, rede ich offener über Depressionen und Co. Am Anfang wusste ich nicht genau, was mir fehlt, warum es mir so geht oder warum ich mich so fühle. Wahrscheinlich konnte ich nicht darüber reden, weil ich gar nicht wusste, was mit mir ist.

Und wie ist es bei dir? Also ich habe schon eine düstere Vermutung, die du wahrscheinlich auch bestätigen wirst.

Hannah: Also wenn du die Vermutung hast, dass es genau im Gegensatz zu dir ist, dann: DING DING DING 🔔

Mia: Ich wusste es. (Gelächter)

Hannah: Ja, natürlich, ne. Wie ist es sonst? Der Podcast der Gegensätze, ne.

Ja, ich gehe da nicht so offen mit um, muss ich sagen. Viele Leute wussten tatsächlich auch nicht, wie es mir geht, bis ich ins Krankenhaus kam. Das war für die alle sehr überraschend, weil ich dann gesagt habe, „Ups, ich bin jetzt eingetütet in der Klapse.“ Das war für die ein Schock.

Mia: Eingetütet und den Brot klipp drum. (Gelächter)

Hannah: Was?

Mia: Ich bewahre mein Brot immer in meiner Tüte auf und habe oben dann so ein Brot klipp, dass es nicht austrocknet.

Hannah: Aber es war auch wie ein Brot klipp. Ich war ja in der Geschlossenen. Da war alles um mich herum wie ein Brot klipp.

Mia: Also eine total gute Metapher. (Gelächter)

Hannah: Auch meine Familie wusste ganz lange nicht was war. Die haben sich auch gefragt, „Ja, wieso meldet die sich denn nicht mehr so wirklich?“ Ich habe damit ganz große Schwierigkeiten und wie du das jetzt sagst, in der Disco alles zu erzählen, da würde mir die Pumpe gehen. Also, alleine nur bei dem Gedanken, weil ich will ja immer das die Leute von mir denken, dass ich der…

Mia: King.

Hannah: Ja, King ist jetzt falsch, aber dass ich ein toller Mensch bin, der alles kann und keine Probleme hat.

Mia: Ja, da fällt mir ein, dass war schon immer so das du versucht hast es allen irgendwie recht zu machen und das bloß keiner irgendwas Falsches von dir denkt.

Hannah: Genau. Das kann ich bis heute ganz, ganz, ganz schwer ablegen. Ich muss aber sagen, dass ich das gerne ändern und viel offener damit umgehen würde, weil ich weiß auch, dass es für mich besser wäre. Ich fühle mich danach auch manchmal gut. Dazu muss ich sagen, manchmal wenn ich ganz viel von mir erzähle, auch meine tiefsten Gefühle, dann habe ich so ungefähr zwei Tage danach ein schlechtes Gewissen, weil ich Angst davor habe.

Mia: Aber warum hast du Angst? Wovor? Vor wem? Hä? Also schlechtes Gewissen, weil du was?

Hannah: Ich habe dann so viel von meinem Leben geteilt. Ich habe dann Angst, dass die Leute jetzt anders von mir denken.

Mia: Du hast ein schlechtes Gewissen, dir gegenüber? Ich habe irgendwie gedacht, vielleicht ein schlechtes Gewissen dem anderen gegenüber, weil du ihm so das Ohr abgekaut hast mit deinen Problemen.

Hannah: Auch, ja. Ich denke mir dann immer so, „Boah ich kann doch jetzt nicht meine Probleme so auf die abladen.“ Aber da sind wir ja schon wieder beim Thema es allen recht zu machen. Es ist leider so. Hauptsache, die Anderen werden nicht von mir belästigt und ich sage dann immer, „Red doch mit mir über deine Probleme, nicht über meine.“

Mia: Dass du dann auch noch schön auf deine Probleme, die ja eh schon big sind, noch die anderen Probleme mit drauf häufst. Super Idee.

Hannah: Meine nächste Frage an dich, die mich auch sehr interessiert: Wie hat dein Umfeld reagiert, als es publik wurde, dass du nun Depressionen hast?

Mia: Also, es war, mh. Ich glaube, ich habe mich nicht ernst genommen gefühlt. Also das ist in meinem Leben ein ständiger Begleiter, dass ich mich von anderen Menschen nicht ernst genommen fühle. Es fing damals bei mir ja mit psychosomatischen Problemen an. Ich hatte ständig Magen-, Kopf oder Herzprobleme. Das wurde damals immer auf die leichte Schulter genommen. Ich denke daher kommt das.

Wenn ich dann gesagt habe, „Oh, mir ist so schlecht.“ , dann hieß es, „Stell dich nicht so an.“ Dann hat mein kleiner Bruder mal gesagt, „Oh, mir geht es irgendwie heute nicht so gut.“ , und dann kam aus unserem Umfeld direkt, „Äh, machst du jetzt die Mia oder was?“

Extrem bescheuert. Ja und dann kam das raus, „Du hast Depression.“D ann dachte ich mir, „Hä, wie? Aber es ist doch mein Körper, der Stress macht. Es ist nicht mein Kopf.“ Aber es wurde eigentlich nie besprochen in meiner Familie. Ich war dann in Therapie. Meine Mutter hat dann manchmal gefragt, „Ja und wie war es?“, aber das war gerade der Anfang, da wollte ich nicht darüber reden, was ich in der Therapie bespreche.

Hannah: Muss man ja auch nicht, ne.

Mia: Muss nicht, natürlich nicht, aber seitdem wurde es einfach totgeschwiegen. Als ich dann irgendwann den Therapeuten gewechselt habe, wurde ich teilweise auch nicht gefragt. Es kamen keine Interessensfragen, „Und wie kommst du jetzt klar so mit dem neuen Therapeuten oder mit der neuen Therapeutin oder wie geht es dir im Moment?“ Sondern es kam dann alles von mir.

Ich hatte ein Mitteilungsbedürfnis, jedoch kamen nie Gegenfragen, wenn ich etwas erzählt habe. Dann habe ich auch wirklich gesagt, dass es so ankommt bei mir, als wäre denen das total egal, was meine Erkrankung angeht.

Hannah: Haben die auch nicht so gut drauf reagiert irgendwie, ne? Habe ich irgendwie in Erinnerung.

Mia: Meine Mutter meinte dann, „Ja, ich weiß ja nicht, ob du darüber reden willst.“ Ich denke mir so, „Alter, ich rede schon so offen darüber, dann kannst du ja wohl auch mal ein paar Gegenfragen stellen, wenn ich schon…“ Ich meine, ich kann es verstehen, wenn sie da so ein bisschen unsicher ist und mich jetzt nicht aus dem blauen raus anfragen will. Aber wenn sie merkt, ich rede darüber, dann kann man ja ein Gespräch darauf aufbauen, meiner Meinung nach.

Hannah: Man kann ja auch fragen, „Ist das in Ordnung, wenn ich mal eine Frage stelle oder können wir drüber reden? Oder ist dir das gerade zu viel? Oder willst du einfach nur erzählen?“ Vielleicht kann man da so ein bisschen mehr drauf eingehen. Dann hättest du ja auch sagen können, „Ne du, ich möchte jetzt einfach nur gerade kurz erzählen, ihr braucht keine Fragen stellen.“ Oder sagen, „Ja, fragt mich ruhig.“

Mia: So ist es irgendwie bei mir, dass es alles so ein bisschen totgeschwiegen wird. Es wird weder negativ noch positiv aufgenommen. Es wird einfach verdrängt.

Hannah: Und bei Freund:innen war das ähnlich?

Mia: Nein gar nicht. Bei Freund:innen treffe ich auf extremen Zuspruch. Ich habe ja auch schon mal erzählt, was meine Freun:innen alles für mich gemacht haben. Mit dem Besuch in der Psychiatrie beispielsweise. Generell, wenn ich das Leuten erzähle, dann sind die wirklich ganz, ganz oft, „Ach, krass. Das hätte ich bei dir gar nicht gedacht.“ Aber ich finde das schön, wenn Fragen kommen. Damit Menschen damit ihn Berührung kommen und ich gegebenenfalls auch Außerhalb des Podcasts zur Aufklärung beisteuern kann.

Hannah: Definitiv, ja.

Mia: Das finde ich schön. Ich habe nur einmal eine negative, neutrale Reaktion bekommen. Das war ein Typ, den ich kennengelernt hatte. Dann habe ich dem das irgendwann erzählt und er hat sich nicht mehr gemeldet, aber das war mir auch irgendwie schnuppe. Dann im Endeffekt…

Hannah: Ist der ja dann eh nicht wert, wenn der so blöd reagiert.

Mia: Gar nicht. Das ist auch, warum ich es oft am Anfang erzähle, weil ich mir denke so, „Wenn ich dann wirklich mal Hilfe brauche und man vielleicht so in der Pärchen Anfangsphase ist und der damit nicht umgehen kann… Ähm, ne.“

Bei der Arbeit bin ich da auch sehr, sehr offen mit umgegangen. Aber das war nicht so gut, da es Menschen waren, die teilweise nicht so gut waren.

Also eigentlich habe ich von ignorieren, positive Rückmeldung, bis scheiß Rückmeldung alles durch. Aber ich glaube, das kommt davon, weil ich so offen bin und da so viel drüber rede.

Hannah: Ja, aber ich bin wenigstens froh, dass deine Freund:innen so gut damit umgegangen sind und dass sie dich da immer supportet habwn. Wie scheiße wäre das denn, wenn man gar keinen Support bekommt?

Mia: Auch wenn es einfach nur ein „Hey, ich bin für dich da.“ ist. Man muss ja nicht immer ein unglaublich tiefes Gesrpäch führen. „Du musst dir mein Herz nicht ausschütteln, aber ich bin für dich da.“

Hannah: Ja das stimmt oder auch einfach sagen, „Hey wie geht es dir denn, aber sei bitte ehrlich. Du kannst auch sagen mir geht es einfach nicht gut und wenn du nicht rüber reden willst ist das okay, aber du weißt das ich hier bin.“

Mia: So wichtig. Ja und was hast du für Erfahrungen gemacht, wenn du sagst, dass du eher wenig darüber redest?

Hannah: Einmal habe ich eine komische Erfahrung gemacht. Da habe ich zu meiner Mutter gesagt: „Mama du, dass sind aber Depressionen.“ , da sagte sie, „Ach, quatsch, das glaube ich nicht.“ Mit der Reaktion hatte ich nicht gerechnet, weil ich habe sonst fast vorwiegend positive Erfahrungen erlebt, also von meiner Familie, aber auch von meinen Freunden. Ich wurde jedoch immer unterstützt und mir wurde auch gesagt: „Das ist nicht schlimm, dass du jetzt im Krankenhaus bist, das ist gut.“ Für mich war dieser Zusammenbruch und der Krankenhausaufenthalt ja super schlimm.

Ich dachte, „Ich, die, die immer perfekt sein will, die ist jetzt abgestürzt.“ Das ist der Super-GAU gewesen und ich dachte, „Scheiße jetzt bin ich im Krankenhaus, aber ich darf nicht den Anschein machen als wäre ich im Krankenhaus.“ Also habe ich immer weiter gearbeitet, vom Krankenhaus aus.

Mia: Oh shit.

Hannah: Zurück zu deiner Frage: Von meinen Freunden war das Feedback super positiv. Ich hatte da nur eine Sache, die mir aufgefallen ist. Oft haben viele Leute so getan haben, als hätten sie Verständnis, aber in Wirklichkeit, wenn es drauf ankam, dann hatten die absolut kein Verständnis. Ist dir das auch schon mal aufgefallen?

Mia: Ja! Dazu habe ich auch eine krasse Story: Also ich habe ja eben schon von den alten Arbeitskolleg:innen erzählt und da habe ich auch offen kommuniziert, dass ich in der Psychiatrie war. Ich habe erst ein Jahr später rausgefunden, dass der Kollege, mit dem ich mich eigentlich gut verstanden und mich anvertraut habe, zu dem Zeitpunkt jemandem gesagt hat, „Ja, warum bringt die sich nicht einfach um, wenn sie nicht mehr leben will?“

Hannah: Das ist so krank. Das geht gar nicht.

Mia: Da war ich wirklich geschockt, als ich das erfahren habe. Dann am selben Tag, ein paar Stunden später habe ich ihn auch bei der Arbeit getroffen und ihn um ein Gespräch gebeten. Es ist einfach so aus mir rausgesprudelt. Ich konnte nicht mehr, weil ich so sauer war und mir dachte, „Wie kann ein Mensch so ekelhaft sein?“

Hannah: War er wenigstens peinlich berührt?

Mia: Nein. Er meinte nur so, „Ja kann sein, dass ich das gesagt habe, aber du sagst ja auch böse Sachen über andere.“ Ich denke mir so, „Willst du jetzt in Relation stellen, dass ich (was auch absolut nicht gut ist) eine fremde Person als blöd bezeichnet habe oder das ich mich umbringen soll? Excuse me.“ So, in welcher Welt lebst du? Wir haben zehn Minuten diskutiert, bis er sich entschuldigt hat.

Hannah: Ich muss sagen, das waren neuneinhalb Minuten verschwendete Lebenszeit für dich. Das da überhaupt diskutiert werden muss.

Mia: Ja. Es war einfach so, dass er gerne zugehört hat, wenn es mir nicht gut ging. Als ich jedoch nicht da war, hat er das Erzählte auch mal gerne gegen mich gewendet und Sprüche abgelassen.

Hannah: Oft wissen meine Freund:inne auch von meinen Problemen und gerade das Thema mit dem direkten Antworten löst bei mir Schwierigkeiten aus. Du kennst es selber von mir. Ich schreibe oft nicht zurück und habe so meine Pausen und dann melde ich mich nach drei Wochen und tu so als wäre nichts passiert und sage, „Hey ja alles gut, ich habe jetzt erst deine Nachricht bekommen.“

Mia: Die Nachricht war drei Wochen lang im Internet verschollen, bis sie dann endlich den Weg zu dir gefunden hat.

Hannah: Nein, aber ich bekomme die Nachrichten natürlich immer sofort und meistens sehe ich und lese sie auch, aber ich kann nicht immer antworten. Ich kann es nicht. Es geht von meiner Psyche einfach nicht, wenn es mir nicht gut geht.

Mia: Ja, es geht einfach nicht. Das verstehen viele nicht. Es geht nicht.

Hannah: Ich habe dann schon ganz oft gesagt so, „Du, ich kann nicht immer antworten. Also, du kannst mir schreiben. Ich sehe das wahrscheinlich, aber wenn es wirklich dringend ist, bitte ruf mich an. Dann weiß ich, dass es dringend ist und dann melde ich mich auch.“ Ich hatte ganz oft, dass die Leute nach einer Woche nach dem ich mich nicht gemeldet habe, manchmal sogar schon nach zwei Tagen, mir geschrieben haben, „Was bist du eigentlich für eine Freundin?“

Mia: (geräuschvolles Einatmen) Ne!

Hannah: „Du antwortest nie.“ Dann habe ich gesagt, „Ja du weißt auch warum.“ „Ja, aber du antwortest nie. Weißt du, wie man sich eigentlich fühlt?“ Dann denke ich mir, „Ja weißt du, wie ich mich gerade fühle?“ Also, ich mache das ja nicht mit Absicht. Wirklich, wenn man mich sprechen will, dann kann man mich wirklich anrufen. Das fand ich immer so doof oder auch mit den Treffen, dass ich gesagt habe „Wir können uns gerne treffen, aber momentan fühle ich mich nicht so gut.“ Dann ist es irgendwann mal so rausgerutscht, dass die andere Person sagt, „Ja, mit dir kann man sich eh nie treffen, weil du sagst immer ab.“ Das sind immer unterschwellige Vorwürfe.

Mia: Ey! Habe ich auch. Wie oft ich schon Leuten, ich habe teilweise noch Nachrichten von Dezember unbeantwortet.

Hannah: Ja, ich auch vor zwei Jahren oder so.

Mia: Irgendwann antwortete ich und sage… Ne, das Ding ist, ich lösche die immer, dass ich mich dann nicht so schlecht fühle. (Gelächter)

Hannah: Oh, okay, guter Tipp. Also das habe ich noch nicht gemacht, aber ich will sie ja auch eigentlich lesen. So Sprachmemos ist bei mir sowieso ganz schwer, die höre ich mir ganz oft nicht an. Also bei dir höre ich sie mir an und bei vielen anderen auch, aber ich warte dann auch immer so, weil ich mich noch nicht bereit fühle danach zu antworten und dann müsste ich sie zweimal hören. Deswegen, ganz schwierige Situation.

Da habe ich auch einfach schon oft meine Erfahrungen gemacht. Viele gehen anfangs sehr verständnisvoll mit der Situation um, bis dann nach zwei Wochen, „Ey du antwortest nicht mehr, was bist du denn für eine? So schlimm können deine Probleme ja auch nicht sein.“ kommt.

Mia: (geräuschvolles Einatmen) Ne! Echt? Also, sorry, aber die Leute gehören sofort in den Mülleimer. (Gelächter)

Mein Reminder für diese Woche ist eher eine Bitte an euch. Und zwar bitte ich euch, euch einfach mal darüber Gedanken zu machen, wofür du gerade dankbar bist. Egal ob es das schöne Wetter heute ist oder ein schönes Telefonat mit einer Freundin oder einem Freund. Ich bin mir sicher, dass du auch an einem schlechten Tag, mindestens eine Sache findest, für die du dankbar bist. Jetzt meine liebe Hannah, frage ich dich. Wofür bist du denn heute dankbar?

Reminder | mind me

Hannah: Was ich auch noch sagen wollte: Ich habe immer sehr viel Hilfe angeboten bekommen. Oft war es auch so, dass es nicht die Hilfe war, die ich genau benötigt habe in dem Moment. Also ich habe oft gehört bekommen, „Ja, sag Bescheid, wenn ich dir helfen kann.“ Oder auch, „Ich bin für dich da.“ Das war natürlich toll, aber ich brauchte auf jeden Fall in diesen Momenten etwas anderes. Ich hätte mir gewünscht, dass mich jemand an die Hand nimmt und auch mal sagt, was ich tun soll. Ich war so hilflos und immer überfordert mit allem. Mein Wunsch war immer jemanden zu haben der sagt, „Ich komme jetzt vorbei. Ich mache mal den Abwasch für dich, weil bei dir sieht es aus wie ein Saustall.“ Oder, „Ich räume mal für dich auf und dann gehen wir mal raus, spazieren.“

Ich hätte einfach Ablenkung gebraucht, glaube ich. Einfach das mich jemand so richtig da durch zieht oder so mich ablenkt, mal was Schönes mit mir macht oder Spaß.

Mia: Hilft auch voll.

Hannah: Was mir auch eingefallen ist, hattest du das auch, dass viele Leute die Krankheit einfach total unterschätzt haben? Wenn es ernst wurde, dann total überrascht und überfordert waren, da sie nicht wussten, wie schlimm diese Krankheit sein kann?

Mia: Ich habe immer den Eindruck, dass Leute denken, wenn jemand Depressionen hat, dass er die ganze Zeit nur in der Ecke sitzt, Rollladen runter und heult.

Hannah: Ja, das typische Stigma.

Mia: Genau. Da habe ich dann so ein bisschen erzählt, wie es bei mir ist. Klar so Tage habe ich auch. Auf jeden Fall, hatte ich das tatsächlich noch nicht. Also, als es mir wirklich unfassbar schlecht ging, habe ich jemanden angerufen, der hat sich das Auto von seinem Vater geschnappt, obwohl der damit eigentlich gar nicht fahren durfte und hat mich ins Krankenhaus gefahren.

Also ich kenne das, dass Leute das irgendwie so ein bisschen runter reden oder sagen, „Ach, das ist doch bestimmt nicht so schlimm.“ Das habe ich ja vorhin schon erzählt, das hatte ich auch als ich die ganzen körperlichen Symptome hatte, wo ich dann irgendwann nicht mehr ernst genommen wurde.

Ich hatte einmal einen ziemlich krassen Nervenzusammenbruch bei meiner Familie. Meine Familie wusste überhaupt nicht, was sie machen sollen. Also, ja, ich lag im Bett, ich habe geheult, ich kam gar nicht mehr klar. Ich glaube, mein Bruder hat mich irgendwie versucht zu trösten. Meine Eltern haben dann bei meinem Neurologen angerufen.

Der hat dann bei der Apotheke angerufen und gesagt, „Hey, hier kommt gleich ein Vater von Mia und die bekommen bitte das Medikament. Das Rezept wird noch nachgereicht.“ Also es war mega cool. Wir hatten irgendwie Samstag- oder Sonntagabend.

Meine Eltern waren überfordert. Während ich im Nervenzusammenbruch bin, muss ich deren Nervenzusammenbruch wieder zusammen kehren sozusagen.

Aber hattest du das, dass dann Leute überfordert waren?

Hannah: Ja hatte ich auch schon. Gerade bei Situationen mit selbstverletzendem Verhalten, da bin ich ganz oft auf Überforderung gestoßen. Ich muss sagen, ich kann es auch nachvollziehen, weil man ja auch nicht so oft auf diese Situation stößt. Daher möchten wir ja auch hier drüber sprechen und Aufklären.

Das wichtigste ist da sein. Man nimmt die in den Arm und spricht denen gut zu. Nicht relativieren von wegen, „Ja, aber ganz ehrlich, mach dir doch nichts draus, so Probleme haben alle in deinem Alter.“ Ich hasse den Satz so sehr. Da kriege ich immer die Krise.
Mia: Ich auch, wirklich. Das macht mich richtig wütend. Kurz zu dem Thema mit dem selbstverletzenden Verhalten. Ich lese ein Buch, „Ein wenig Leben“, das kenn vielleicht der ein oder andere von euch, da wurde übrigens auch eine Triggerwahnung ausgesprochen. Da geht es um vier Jungs, die man so im College oder nach dem College kennenlernt, die über das Leben begleitet werden.

Einer hat sich den Arm einmal ordentlich verletzt mit einem Messer und sein WG Partner wusste nicht, was er tun soll, beziehungsweise hat sich auch nicht getraut und hat nichts dazu gesagt. Dann wurde es totgeschwiegen.

Hannah: Hä und er war dabei?

Mia: Ne, der kam mit einer bluten, aufklaffenden Wunde am Arm, in das Schlafzimmer. Dann hat der den zum Arzt gefahren. Auf jeden Fall hat der sich dann am nächsten Morgen auch nicht getraut was zu sagen, weil der, der sich verletzt hat, so getan hat als wäre nie was gewesen. Das erinnert mich an Hannah in der Psychiatrie, die sich schick macht und tut, als wäre sie gerade auf irgendeiner Veranstaltung. (Gelächter) Oder auch an meine Familie, dass es dann so ein bisschen totgeschwiegen wird.

Hannah: Ja, das ist ein ganz falscher Weg. Von meinem Umfeld, ich würde es ganz schlimm finden, wenn die es totgeschwiegen würden. Ob ich das erzähle oder nicht, das ist meine Sache, aber wenn ich das mal sage und die dann nicht drauf eingehen würden, das würde mich sehr verletzen. Es gibt ja auch viele, die nicht darüber reden und dann mal irgendwie ganz vorsichtig fragen oder sagen, „Hey, mir geht es irgendwie nicht so gut. Wisst ihr vielleicht was das ist oder könnt ihr mir helfen?“ Viele reagieren dann total falsch. Sagen, „Ja, ach. Leg dich mal hin, schlaf mal eine Runde. Dann geht es dir morgen schon wieder besser.“ Da muss man ein bisschen mehr mit Gefühl darauf eingehen. Erstmal fragen, die Lage checken, „Was ist denn los? Wieso geht es dir schlecht?“

Mia: Boah. Das hatte ich auch mal. Ich war einmal in Hamburg zu Besuch bei so einer Modelagentur, weil die mich eingeladen hatten. Ich habe in der Nacht sehr wenig geschlafen. An dem Tag ging es mir so schlecht. Ich hatte so Halsschmerzen und konnte gar nicht mehr reden. Ich hatte das Gefühl, mein ganzer Hals ist angeschwollen. Dann war ich sogar in Hamburg noch beim Arzt, weil es mir so schlecht ging. Ich wollte eigentlich noch die Nacht da bleiben und dann am nächsten Tag wieder entspannt mit dem Bus nach Hause fahren, bin dann aber, Hals über Kopf, an dem Nachmittag wieder gefahren, weil es mir wirklich so schlecht ging.

Zuhause hatte ich dann einen Nervenzusammenbruch. Meine Mutter nur so, „Ach leg dich mal hin, schlaf ein bisschen. Du hast ja jetzt auch viel erlebt.“ Ich habe wirklich geheult und war fix und fertig. Ich habe gesagt, „Ich komme mit meinem Leben nicht mehr klar und bin so überfordert. Bitte, ich brauche Hilfe. Ich schaffe es alleine nicht“ und sie so, „Ja du hattest ja jetzt auch eine anstrengende Zeit, leg dich mal hin und schlaf dich mal aus. Du hast ja auch wenig geschlafen. Du bist ja auch ein bisschen angeschlagen“ und ich denke mir so, „Bro, ich heule, sage ich bin überfordert, ich komme mit meinem Leben nicht mehr klar, ich brauche Hilfe.“ Ja, leg dich mal hin, schlaf eine Runde. Excuse me. Was ist das?

Hannah: Wie war dein Umfeld als sie noch nicht wussten, dass du krank bist, du es aber selber schon gemerkt hast?

Mia: Kacke. Meine Freunde haben nichts gemerkt, ich habe nichts gesagt. Es war als wäre nichts gewesen. Zuhause, die haben natürlich mitbekommen wie schlecht es mir ging, ne. Ich habe ja am Anfang erzählt, mit den körperlichen Symptomen und das wurde einfach so ins Lächerliche gezogen. Also das war wirklich sehr, sehr schwer für mich, weil ich hatte jedes Mal Angst dann zu sagen, „Oh, mir ist so schlecht. Ich möchte nicht mit“ oder, „Ich habe gerade so Kopfschmerzen“ oder, „Ich habe das Gefühl, ich kriege keine Luft mehr.“ Jedes Mal dann so, „Stell dich nicht so an. Hast du was Falsches gegessen?“

Oder wenn mein kleiner Bruder dann mal ein Problem hatte, wurde gesagt, „Ach, machst du jetzt auf Mia oder was?“

Hannah: Wie bist du drauf gekommen, dass du krank bist? Haben anderen gesagt, „Du hör mal, ich glaube, mit dir stimmt irgendwas nicht.“ Wie war das?

Mia: Ehrlich gesagt habe ich zuerst gedacht, ich bin todkrank, vom Körper her, nicht vom Kopf her.

Hannah: Das Gefühl kenne ich auch gut.

Mia: Ja genau. Einer meiner Brüder hatte zu dem Zeitpunkt eine Freundin, die auch Probleme hatte. Mit ihr bin ich dann das erste Mal mit dem Thema in die Berührung gekommen. Von wegen, „Hey, das kann von der Psyche her kommen.“

Boah meine Hände sind richtig schwitzig, weil ich echt so ein bisschen pissig bin. (Gelächter) Von den Storys, die ich hier gerade auspacke. Aber da bin ich das erste Mal mit in Berührung gekommen, dass ich gedacht habe, „Mh, vielleicht stimmt ja wirklich irgendwas mit meiner Psyche nicht.“ Aber es ging nicht in meinen Kopf. Ich dachte so, „Wieso soll irgendwas mit meiner Psyche sein und mein Magen tut dann weh? Wie passt das zusammen?“ Ich habe es nicht verstehen können.

Hannah: Woher soll man das anfangs auch wissen? Auch wenn man noch jünger ist.

Mia: Eigentlich war ich dann wegen einer anderen Geschichte bei meinem Neurologen und er meinte dann, „Depression.“ Wie war es denn bei dir? Hat es bei dir im Umfeld jemand gemerkt? Hast du es eher gemerkt?

Hannah: Ja. Also mein Umfeld hat nicht direkt gemerkt, dass ich psychische Probleme habe. Wir hatten ja schon mal über mein Konsumverhalten, was Alkohol angeht, geredet. Da wurde ich oft tatsächlich drauf angesprochen. Wieso ich denn immer so viel trinke oder wieso ich mich denn immer so betäuben möchte.

Ich hatte ja auch mal diese Aggressionsprobleme, da wurde ich auch drauf angesprochen, „Ja, wieso bist du eigentlich so? Was ist mit dir?“ Ich dachte mir auch so, „Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.“ Da waren glaube ich auch so die Anfänge, wo ich mir dann gedacht habe, „Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas ist nicht gut.“

Mia: „Was stimmt mit dir nicht?“ Das klingt abwertend.

Hannah: Ja, es war abwertend. „Was stimmt mit dir nicht? Wieso bist du so aggressiv? Komm mal runter. Du bist ein Manns-Weib.“ Das nimmt mich heute noch mit.

Mia: Wie bei mir. Bei mir zum Beispiel hat es sich sehr körperlich gezeigt, Übelkeit, Kopfschmerzen. Bei dir hat sich das so bemerkbar gemacht. Es wurde abgewertet oder wird nicht ernst genommen. Wenn dann noch jemand um die Ecke kommt und sagt, „Was ist mit dir los?“ Falscher Ansatz.

Hannah: Also wenn die sagte, „Hey, was ist mit dir los?“ Kein Ding, aber wenn die sagen, „Ey, was iss mit dir looos?“ (Gelächter) Krisensitzung. Eine kurze Frage noch, die mir aufkam: Hattest du auch immer Angst wie ein rohes Ei behandelt zu werden, nach dem du gesagt hast, dass du krank bist?

Mia: Nein. Du etwa?

Hannah: Ja. Ich hatte immer Angst davor, dass wenn ich was erzähle, dass die mich in Watte packen wollen und nicht mehr normal behandeln können. Aber ich muss sagen, für alle, die auch die Angst haben, es ist nie so konkret eingetroffen.

Ich wurde immer ganz normal behandelt, das wollte ich jetzt nur nochmal ganz kurz sagen, das ist mir noch in den Kopf geschossen.

Mia: Ja. Ich glaube, bei mir ist es nicht vorgekommen, weil ich einfach nicht ernst genommen wurde. Wie soll man jemanden in Watte packen, wenn man den gar nicht ernst nimmt?

Hannah: Ein schöner Downer zum Abschluss. Wir haben auch in dieser Folge einen Fakt mitgebracht. Die Stiftung Deutsche Stiftung Depressionshilfe hat die Auswirkung von Depression erforscht. Ich bin mal gespannt, was du sagst. Ich fand es sehr treffend, aber auch trotzdem sehr erschreckend. 84% der Befragten ziehen sich bei einer Depression aus dem sozialen Umfeld komplett zurück. (Quelle)

Mia: Sehe ich mich, ja.

Hannah: Na klar. Ich kann mich auch da total sehen. 72% fühlen sich mit anderen Menschen einfach nicht mehr verbunden. Fast die Hälfte, also 45% der Erkrankten, trennen sich in der Depression von ihrem Partner. Das fand ich auch erschreckend.

Mia: Das hätte ich nicht gedacht.

Falls ihr aktuell Hilfe oder jemanden zum Zuhören braucht, dann kann ich euch das überregionale Krisentelefon empfehlen (Telefonseelsorge). Da kann man auch eine Mailberatung oder eine Chatberatung in Anspruch nehmen, falls ihr nicht telefonieren möchtet. Die Telefonnummer in Deutschland ist 0800 11 10 111.

Hannah: Das war es auch, glaube ich heute. Das ist ja auch mal wieder ein Stückchen länger geworden.

Mia: Und ihr könnt euch natürlich auch voll gerne an uns wenden und uns eure Erfahrungen berichten. Was ihr für Erfahrungen gemacht habt mit eurem Umfeld oder wie ihr damit umgeht. Wie man jetzt bei uns sieht, wir gehen total verschieden damit um. Es würde uns auch sehr interessieren, was andere so für Berichte haben. Cool.

Hannah: Gut, dann würde ich sagen, wir verabschieden uns und wir hören uns in zwei Wochen wieder.

Mia: Ja, bis dahin.

Hannah: Alles klar.

Mia: Ciao.

Hannah: Ciao. (Gelächter)

* Transkribiert durch eine ganz liebe Zuhörerin! 💚

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