3 – Psychiatrie

№ 3

Was passiert eigentlich in einer Psychiatrie?

⚠️ Triggerwarnung: Selbstverletzendes Verhalten und Suizid

Entspricht ein stationärer Aufenthalt in der Psychiatrie dem Klischee oder geht es da eigentlich ganz anders zu? Tagesabläufe, Ängste und berüchtigte Joghurtdiebe werden hier thematisiert.


Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von mind me – Dem Podcast über die Facetten der Depression. Wir sind Mia und Hannah. Wir wollen nochmal darauf hinweisen, dass wir keinen medizinischen Hintergrund haben und lediglich unsere Erfahrungen und Meinungen teilen. Möchten Betroffenen Mut machen und sie wissen lassen, dass sie nicht alleine sind.

Mia:  Hannah, du weißt ja das ich in einer Region in Deutschland wohne, in der es aktuell super verschneit ist. Es ist wirklich so krass, dass ich letztens eine Stunde zur Arbeit gehen musste. Das war sehr anstrengend.

Hannah: Aber ich fand du sahst süß aus. Du hattest ganz rote Bäckchen und eine rote Nase und warst so dick eingepackt.

Mia: Ich glaube es waren -9 Grad, da habe ich alles angezogen was ich hatte.

Auf jeden Fall ist hier richtiges Schneechaos. Der Zug der hier fährt, der fährt seit Sonntag nicht mehr. Die Busse fahren nicht mehr richtig. Da ich kein Auto habe, erledige ich sonst alles mit dem Fahrrad, aber bei dem Wetter komme ich damit auch nicht weit. Somit mache ich aktuell alles zufuß.

Hannah: Das klingt gar nicht schön. Ich habe das Glück, dass es hier bei mir nicht so ist. Hier schneit es gar nicht, aber kalt ist es trotzdem.

Mia:  Ich habe mich letztens auch im tiefen Schnee richtig dahergelegt. Ich bin am Bürgersteig entlang gegangen und mit dem rechten Fuß weggerutscht und total auf die Seite gefallen. Mein ganzes Bein war voll mit Schnee. Ich bin so schnell wie es geht aufgesanden, hab den Schnee abgeklopft und hab so getan als sei nichts passiert.

Hannah: Aber wehgetan hast du dir nicht oder sogar Hirnschäden genommen?

Mia: Nur ein bisschen und die Hirnschäden habe ich sowieso schon. (Gelächter) Ein Sturz mehr oder weniger, da kommt es auch nicht mehr drauf an.

Hannah: Das klingt auf jeden Fall nach viel Aktion bei dir. Ich würde sagen, dass wir mal zu unserem Thema kommen. Wir reden heute über staionäre Klinikaufenthalte. Wie unsere Erfahrungen da aussahen und wie wir das erlebt haben.

Vorab würde ich gerne einmal erklären. Es gibt natürlich verschiedene Arten wie man Hilfe bekommen kann. Zum einen gibt es die stationären Klinikaufenthalte, wo man Tag und Nacht bleibt. Zum anderen gibt es auch Tageskliniken (Teilstationär), wo man eine bestimmte Stundenanzahl am Tag bleibt. Dort hat man auch Therapiestunden und Aktivitäten, aber Abends geht auch wieder nach Hause. Natürlich gibt es auch die Psychotherapie, wo wir beide auch waren. Hier wäre es beispielsweise eine Stunde pro Woche. Das bespricht man jedoch mit seiner/m Therapeut:in.

Dann habe ich die stationare Klinik noch einmal unterteiltin die geschlossene und in die offene Station. Die geschlossene Station bewahrt sozusagen die Patient:innen auf, die eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellen. In die offene Station kommt sozusagen der Rest hin. (Gelächter)

Ich hoffe jetzt kann man sich ein grobes Bild davon machen. Weil ich wusste zum Beispiel auch gar nicht was das alles so ist und wie das funktioniert, ehe ich da war.

Jetzt meine Frage an dich: Ich weiß ja, dass du in stationärer Behandlung warst. Wann war das?

Mia: Ich bin irgendwann im Oktober 2018 eingeliefert worden. Das ist jetzt schon gut 2 1/2 Jahre her. Wie war es bei dir?

Hannah: Ich finde es so witzig. Wir haben uns ca. fünf oder 6 Jahre nicht gesehen oder gehört haben und fast gleichen Zeit in der Psychiatrie waren. Bei mir war es der 26.November 2018. Diesen Tag habe ich noch immer in meinem Handy gespeichert, einfach um mich daran zu erinnern.

Mia: Ich finde es generell in „witzig“, wie sich unsere Leben entwickelt haben. Wie du schon gesagt hattest, hatten wir lange keinen Kontakt und als wir uns dann wieder gesprochen haben, haben wir einfach gemerkt wie gleich unsere Leben eigentlich verlaufen sind.

Hannah: Ja total. Wir waren damals beste Freundinnen und sind es heute immernoch. Wie wahrscheinlich ist es, dass zwei beste Freundinnen zur gleichen Zeit, die sich nicht gehört haben, in die Psychiatrie eingewiesen werden.

Mia: Magst du mal erzählen, wie dazu kam, dass du in die Psychiatrie eingewiesen wurdest?

Hannah: Woran ich mich gut erinnen kann, als ich in meinem WG-Zimmer saß und gelernt habe. Plötzlich hatte ich eine unfassbare Trauer in mir. Ich fühlte mich mit allem einfach so überfordert. Ich erinner mich auch daran, dass ich Wort oder Dinge die mir passiert sind aufgeschrieben habe und mit Tesafilm an die wand geklebt habe. Wie eine große Mind Map.

Dann kam der Black Out. Ich kann mich nur minimal daran erinnern. Im Krankenhaus wurde ich dann gefragt, wieso ich hier bin, was ich hier machen und ich hing da einfach auf halb acht. Dann wusste ich nurnoch, dass ich in einem Bett war und auf den Flur geschoben wurde. Dann hatte ich ja schon in der Vorstellungsrunde erzählt, dass mich der demente Mitpatient überall angefasst hat.

Wie ist das bei dir? Wie bist du da gelandet?

Mia: Ich hatte ja auch schon in unserer Vorstellungsfolge erzählt, dass ich Medikamente nehmen. Das war sozusagen der Auslöser. Ich habe gemerkt, dass es über die Jahre immer mehr Berg ab mit mir ging und die Abstände zwischen Panikattacken wurden immer kleiner. Die Attacken an sich wurden immer stärker. Dann gab es einen Abend, da ging es mir richtig richtig schlecht. Mir ist zuhause die Decke auf den Kopf gefallen. Ich hatte enge in der Brust, Übelkeit und habe mich nicht mehr einbekommen, was das Weinen angeht. Ich wusste nicht mehr wo oben und unten ist.

Zum Glück hatte ich zu dem Zeitpunkt einen Bekannten, der zu mir kam. Wir sind dann raus an die frische Luft gegangen, weil das mich sonst in solchen Momenten immer beruhigt. Er hat jedoch dann netterweise in der Notaufnahme im Uni Klinikum angerufen. Er hat die Frau am Telefon gefragt, was wir nun tun sollen. Die Frau hat gesagt, wir sollen am besten vorbei kommen. Sie hat dann schon in der psychiatrischen Abteilung angerufen und bescheid gegeben, dass gleich eine junge Dame mit einem Nervenzusammenbruch kommt.

Dann bin ich dahin und hatte mitten in der Nacht noch ein Gespräch mit einem Psychiater dort und durfte zum Glück auch direkt da bleiben. Ich hatte dementsprechend auch schon ein paar Wechselklamotten und Hygieneartikel dabei. Danach ging es für mich auf mein Zimmer und ich war eingewiesen.

„Ich habe Menschen Aschenbecherinhalte essen sehen.“

Hannah

Hannah: Als ich dann aufgewacht bin, lag ich in der geschlossenen Station, was ich eigentlich gar nicht so realisiert hatte. Ich war auch total verwirrt. Irgendwann morgens, wurde ich dann in ein Zimmer mit anderen Frauen geschoben und der Witz ist, dass mir gar nicht bewusst war, wo ich war.

Ich habe so getan als sei nichts passiert. Sogar hübsch angezogen, habe ich mich. Ich habe mich versucht, ganz adrett anzuziehen, während meine Mitpatientinnen dort bequem mit Jogginghose lagen. Total doof von mir und fern der Realität.

Mia:   Dazu habe ich jetzt noch kurz zwei Fragen. Wie viele wart ihr in einem Zimmer? Und was dachtest du denn, wo du bist? Das du in einem Hotel aufgewacht bist, oder was?

Hannah: Also ich wusste schon, dass irgendwas komsich war. Ich hatte ja durch den Black Out auch ein paar verschwommene Erinnerungen. Ich wusste, dass ich in einem Krankenhaus war, aber mir war nicht bewusst, dass ich in der geschlossenen Psychiatrie geladet bin.

Im Zimmer waren wir zu dritt. Die Zimmer waren leider alle immer überfüllt. Irgendwann wurde ich in ein anderes Zimmer verlegt, dann waren wir erstmal zu zweit in einem Zimmer.

Als ich dann aufgewacht bin, ist mir aufgefallen, dass alles verschlossen war. Die Fenster konnte man gar nicht öffnen, die Türen waren mehrfach verschlossen und verriegelt. Von draußen hat man kaum etwas gesehen. Es gabe ein Zimmer mit einem kleinen Fenster, in dem geraucht werden durfte – das Raucherzimmer. Der ganze Rauch wurde nur mit einer Lüftung abgezogen. Also das war ein richtig ekeliger Raum. Da waren kaputte und zerkratzte Tische, Stühle und Wände. An den Wänden waren auch Zeichen, Sätze und Wörter, die auch ziemlich gruselig waren.

Es gab ein Handyverbot auf der Station, also diese musste man abgeben. Es durften keine Gürtel oder spitze Gegenstände (Ketten, etc.) getragen werden. Besucher durften nur alle zwei Tage für 30 Minuten kommen und beim Basteln durfte man z.B. keine Schere selbst benutzen. Es gab auch keine Gläser, sondern nur Plasikbecher.

Mia:  Was ist mit Besteck?

Hannah: Besteck gab es. Das wurde aber immer abgezählt, ob auch alles wieder zurückgelegt wurde.

Der Tagesablauf war auch tatsächlich simple. Aufstehen – Frühstück – Pilleneinnnahme – Kartenspielen – Mittagessen – Karten spielen – Abendessen – Pilleneinnnahme – Karten spielen – Schlafen gehen.

Manchmal durften wir uns in einer Reihe, hinter einer Pflegekraft, aufstellen. Dann ging es raus in den Hinterhof. Der war aber auch mit hohen, blickdichten Zäunen umgeben. Dann durften wir 30 Minuten an der frischen Luft sein, wurden danach aber auch direkt wieder reingeholt. Man hat sich schon sehr eingesperrt gefühlt.

Natürlich gab es auch hier Therapiegespräche. Dort habe ich aber auch so getan, als sei nichts gewesen. Die Ärztin hat mich dann auch immer gefragt: „Sie wissen schon wo sie sind oder was sie hier machen?“. Aber ich hab das ganze einfach nicht wahr haben wollen.

Natürlich habe ich auch sehr koriose Sachen gesehen. Wie man es teilweise aus Filmen kennt, habe ich oft Menschen schreien hören. Menschen haben Aschenbecherinhalte gegessen oder auf dem Boden gehockt und den PVC-Boden abgeknibbelt und gegessen. Ich habe Blutspuren auf den Fluren oder in meinem Zimmer gesehen, weil Leute sich selbst verletzt haben oder versucht haben sich das Leben zu nehmen. Ich habe gesehen, wie Leute fixiert wurden und eine Spuckmaske aufgesetzt bekommen haben. Patient:innen haben um sich geworfen mit Stühlen, Tischen, Bücher oder sonstigen Gegenständen. Einer hat versucht das Fenster einzuschlagen. Natürlich hatte man Angst getroffen oder angegriffen zu werden.

Mir wurden Dinge und Geschichten erzählt, die ich wahrscheinlich nie wieder in meinem ganzen Leben vergessen werde. Also ich war eine Woche da und muss sagen, dass ich echt einiges erlebt habe. (Gelächter)

Mia: Am Anfang wo du erzählt hast, dass ihr die ganze Zeit Karten gespielt habt und auch mal raus durftet, dachte ich mir, dass man sich dort sicher gut entspannen und wieder runter kommen kann. Aber deine letzten Erzählungen sind gruselig. Da hätte ich Angst aus meinem Zimmer zu gehen und würde mich nicht wohl fühlen.

Hannah: Man hatte auch Angst. Ein Patient dort war auch ehemaliger Boxer und war Dement. Er wusste also nicht richtig, was er tut. Uns wurde auch gesagt, dass wir uns von ihm fern halten müssen.

Aber vielleicht magst du auch noch weiter von deinen Erfahrungen zu erzählen?

Mia: Gerne! Ich war eine Woche auf der offenen Station in der psychiatrischen Abteilung in einer Uniklinik. Abends habe ich noch ein Beruhigungsmittel bekommen und habe länger in den nächsten Tag geschlafen. Bei mir war es dann so, dass ich gar nicht aufstehen oder raus aus meinem Zimmer wollte. Aber vor meiner Tür im Flur habe ich ganz laut zwei Schwestern reden hören. Die eine sagte, dass gestern eine neue Patientin gekommen sei. Die andere wiederrum sagte dazu, dass das ja nicht in Ordnung sei und ich doch endlich mal austehen soll.

Dann lag ich da und habe mich direkt irgendwie unwohl gefühlt. Ich hatte auch Angst, dass es eine unglaublich unemphatische Krankenpflegerin ist. Doch sie hat dann vorsichtig bei mir geklopft und war auch super lieb. Ich bin dann raus und habe versucht zu frühstücken, aber ich habe kein Bissen runter bekommen. Ich saß da und konnte auch irgendwie an nichts denken.

Bei uns war es so, dass wir zu Terminen und zu den Essenszeiten da sein mussten, sonst konnten wir uns aber frei bewegen. Ich durfte auch nach draußen, musste mich dazu nur in ein kleines Buch eintragen. Also wann ich rausgegangen bin, was ich dort tue (Spazieren, Einkaufen etc.) und wann ich wieder komme.

Es gab auch Therapieangebote dort, die habe ich aber kaum mitbekommen, da ich nur eine Woche in der Psychiatrie war. Einzeltherapie und Gruppentherapie habe ich noch mitgemacht. Mir ging es aber auch schnell wieder besser und ich habe ein neues Medikament bekommen.

Ein paar Freundinnen haben mich besucht und haben echt lange Wege auf sich genommen, nur um mich zu besuchen. Da war ich unheimlich dankbar und habe mich richtig unterstützt gefühlt.

Zuerst war ich alleine auf meinem Zimmer, doch dann kam na ein paar Tagen eine neue Patientinn. Ich muss sagen, dass mich da schon sehr runtergezogen hat. Die Dame hatte durchgehend Besuch und hatte Kinder in unserem Alter, die die ganze Zeit da waren. Einmal erinnere ich mich an einen Abend gegen 21 Uhr, wo ich schon in Schlafanzug und lesend im Bett lag und plötzlich kam sie mit ihrer ganzen Familie rein und dann haben die sich da alle hingesetzt.

Hannah: Habt ihr keine festen Besuchszeiten gehabt?

Mia: Doch, soetwas gabs. Besuchsrecht galt eigentlich bis 19 oder 20 Uhr auf dem Zimmer. Sonst halt im Vorraum der Psychiatrie. Ich habe das auch den Krankenschwestern gemeldet. Den tat das auch total leid, die hatten nämlich schon mit denen gesprochen, doch irgendwie kam die Nachricht nicht bei denen an. Da habe ich mich dann einfach total unwohl gefühlt. Ich wurde ja in meinem Rückzugsort von fremenden Menschen gestört.

Hannah: Verstehe ich voll! Man ist ja auch da, um sich zu erholen und zu sich zu kommen. Dann kann es auch nicht sein, dass da so viel Trubel auf dem Zimmer ist.

Falls ihr gerade angespannt sitzt, liegt oder steht. Nehmt euch einfach mal einen Moment und lasst die Schultern fallen. Entspannt euer Gesicht und macht einmal kurz die Augen zu und atmet ganz tief ein und wieder aus.

Reminder | mind me

Mia: Wollen wir dann mal unsere Tagesabläufe, Stationsregeln etc. vergleichen?

Hannah: Gerne. Wie sah denn so ein typsicher Tag bei dir aus?

Mia: Morgens gab es halt als erstes Frühstück. Das war Buffet-mäßig aufgebaut. Brötchen, Brote, Aufstrich und Aufschnitt. Milch, Joghurt, Orangensaft und Kaffee. Dann weiter im Vormittag gab es Termine. Sowas wie Einzel- oder Gruppentherapie. Dann gab es Mittagessen. Wichtig war, dass man zu diesen Terminen auch immer erscheinen musste. Nachmittags gabe es dann auch wieder Therapien. Alternativ konnte man auch etwas malen oder Sport machen. Ich bin sehr oft Spazieren gegangen. Zum Abend gab es Abendessen und danach habe ich mich meistens in den Vorraum gesetzt, da es der einzige Bereich mit WLAN war.

Hannah: Ihr hattet WLAN im Krankenhaus? Das finde ich interessant.

Mia: Das gab es leider nur im Vorraum. Da habe ich mir Abends noch Serien runtergeladen, dass ich die später in meinem Bett schauen kann.

Hannnah: Ich muss sagen, dass es bei mir im Krankenhaus kein WLAN gab und ich sehr zufrieden damit war. Ich musste mich natürlich auf mich konzentrieren und da wäre WLAN eher von Nachteil gewesen. Bei mir auf der offnen Station durfte man sein Handy zwar benutzen, aber Abends zum Beispiel auch nicht mehr.

Mia: Ich glaube, mir hätte es auch ganz gut getan, wenn nicht der beste Empfang da gewesen wäre, da man sich dann besser auf sich konzentrieren kann. Ich habe eigentlich sowieso kaum mit Menschen geschrieben. Ich hatte gar keine Kraft dazu. Da sind tatsächlich auch langjährige Freundschaften kaputt gegangen.

Und wie war dein Tagesablauf auf der offnen Station?

Hannah: Es war sehr ähnlich, aber natürlich gab es Unterschiede. Es ging direkt um 7 Uhr früh los zu einem Spaziergang. Der Spaziergang dauerte dann ungefähr 10-15 Minuten. Danach gab es dann Frühstück. Das war kein Buffet, sondern wir haben einen Essenswagen bekommen und mussten dort immer unser Tablet rausnehmen. Dadrauf waren quasi zwei Brötchen, ein Klotz Butter und Aufschnitt. Man konnte sich jedoch auch noch Kakao oder Orangensaft dazuwählen. Kaffee gab es durchgehend auf unserer Station.

Mia: Also klassisches Krankenhausessen?

Hannah:  Ja, absolut. Nach dem Frühstück gab es meistens dann noch eine Besprechungrunde. Da wurde besprochen, was heute ansteht oder ob es irgendwelche Probleme gibt. Dann ging es weiter wie bei dir mit Einzel- oder Gruppentherapien. Man wurde gewissen Gruppen zugeordnet. Wir hatten auf der Station Sucht- und Ansgtstörungstherapien oder eine klassische Selbsthilfegruppe der Patient:innen. Dann war es auch schon Zeit Mittag zu essen. Es war einem immer klar, was es zu Essen gab, da man im Vorraus aus zwei Gerichten wählen konnte.

Nachmittags ging es dann weiter. Wir hatten oft Sport, Ergotherapie oder Tee- und Kaffeerunden. Leider durfte ich mich für Spaziergänge jedoch nicht so weit vom Krankenhaus entfernen und anfangs durfte ich auch nicht länger raus als 30 Minuten. Dann kam tatsächlich schon das Abendessen und da haben wir klassisch Brot gegessen. Immerhin konnte man wählen, ob wir vegetarisch oder vollkost haben wollten.

Der Abend bot keine Programme oder Therapien mehr. Da wurde sich oft zusammengesetzt, gequatscht oder Karten gespielt. Jeder auf der Station hatte auch gewisse Aufgaben. Morgens wurde man teilweise zum Küchendienst eingeteilt und musste Kaffee kochen und die Tische sauber halten.

Mia: Man merkt total, dass es bei mir auf der Station entspannter war als bei dir. Klar ist es auf der einen Seite gut, dass ich so frei war. Auf der anderen Seite hätte es mir aber wahrscheinlich auch gut getan ein paar mehr Regeln zu haben.

Hannah: Ich muss auch sagen, dass ich diese Regeln gut fand. Oft war ich deswegen nicht so oft an meinem Handy und habe von denen eine Struktur bekommen. Die Regeln waren sehr hilfreich für mich.

Mia: Hattet ihr auch verschiedene Therapieangebot? Konntet ihr frei wählen oder wurdet ihr direkt zugeordnet?

Hannha: Also frei wählen konnten wir nicht. Wir konnten zwar danach fragen, aber im Prinzip wurden wir von den Therapeut:innen eingeteilt. Wir hatten dann immer ein blauen Buch dabei, welches wir bei der Therapie dabei haben mussten, damit es abgezeichnet werden konnte. Das blaue Büchlein war mein Tagesplan.

Es gab eine Entspannungsstunde, Sport, Yoga, Ergotherapie und Musikstunde. Dann gab es natürlich auch die Therapiestunden, wie Gruppen- und Einzeltherapie. In meiner ersten Woche war mein blaues Büchlein noch recht leer, aber in der zweiten Woche konnte ich besser zugeordnet werden.

Mia: Bei uns war es ähnlich. Ich kann nicht sehr viel dazu sagen, da ich nur eine Woche da war. Mein Plan für diese Woche war aber auch sehr sperrlich ausgefüllt. Natürlich müssen die einen erstmal kennenlernen. Bevor es bei mir richtig losging, habe ich mich ja auch direkt wieder selbst entlassen.

Hannah: Hast du denn eigentlich etwas kurrioses in der Zeit erlebt?

Mia: So kurrios wie du es erzählt hast, definitiv nicht. Aber bei uns in der Psychiatrie gab es einen Joghurtdieb. Ich saß einmal vormittags am Esstisch war in meinem Handy vertieft und auf einmal kam ein Mann der ca. 40 oder 50 Jahre alt sein musste. Dieser hat sich dann da an unseren Joghurt zu schaffen gemacht. Also er hat sich da hingestellt, hat ihn geöffnet und hat ihn wirklich in EINEM ZUG gegessen. Der hat den angestzt, Kopf nachhinten und in einem verschlungen. Er hat sich dann auch noch 2-3 weitere Joghurte genommen.

Am nächsten Tag hat uns eine Krankenpflegerin drauf aufmerksam gemacht, dass es in der Psychiatrie einen Joghurtdieb gibt, der von Station zu Station läuft und alle Joghurte aufisst.

Hannah: Ich habe mal gehört, es gibt eine Milchsucht unter depressiven Menschen. Das die sehr dazu tendieren Milch zu trinken. Vielleicht hat Joghurt ihm da geholfen.

Aber zurück zum Thema. Ich muss sagen, dass mir der stationäre Aufenthalt in der Psychiatrie gut gefallen hat und ich es jederzeit wieder so machen würde. Es hat mich auf den richtigen Weg gebracht.

Mia: Ich war in der Zeit danach auch nochmal kurz davor mich wieder einweisen zu lassen, da ich wusste wie gut es mir tut. Es war gut dort, auch wenn es nur eine Woche war. Allein der Abstand zu meinem Alltag.

Hannah: Wir wissen natürlich nun, wie es für uns war und wie die Einweisung ablief. Aber wie genau war es mit der Zeit danach bei dir? Du hattest dich auch selbst Entlassen oder?

Mia: Genau. Ich habe mich selbst entlassen, weil es für mich danach in den Urlaub nach Tunesien ging. Die Therapeut:innen und Pfleger:innen haben das auch unterstützt, da ich meinem stressigen Alltag entfliehen konnte und haben mich deswegen auch entlassen.

Danach war ich noch eine lange Zeit krank gemeldet und habe mich natürlich direkt auf die Suche eines Therapieplatzes gemacht. Ich hatte das Glück, dass ich schnell einen Therapieplatz gefunden habe. Anfangs ging es mir immer noch nicht so gut, natürlich besser als davor, aber ich hatte natürlich noch immer die Probleme die ich davor hatte.

Nach der Psychiatrie war ich dann insgesamt 2 Jahre in Therapie und der Therapeut war super. Ich habe das Problem vor Ablehnung und Angst davor mich in der Öffentlichkeit zu Übergeben. Dann musste ich als Aufgabe zum Beispiel durch die Einkaufsstraße meiner Stadt mit hochgehobenen Armen gehen. Das mir bewusst wird, dass Leute mich gar nicht so wahrnehmen. Und – suprise, suprise- mich hat kaum jemand wahrgenommen.

Und wie war es bei dir?

Hannah: Ich habe mich am Ende nur selbst aus der Psychiatrie entlassen, da ich gestresst war und meine Klausurenphase angefangen hat. Ich habe zwei Tage später dann meine erste Klausur gehabt. Während du in stationärer Behandlung bist, darfst du nicht arbeiten oder studieren. Daher wollte ich mich davor selbst entlassen. Danach bin ich dann in die stressige Klausurenphase, aber dann kam die Zeit meines Lebens. Mir ging es wirklich gut. Nach vielen Monaten habe ich auch endlich dann einen Therapeuten gefunden.

Mia: Hast du dich dann in der Psychiatrie auf die Klausuren vorbereitet?

Hannah: Leider ja. Ich finde es selbst schlimm. Zuhause habe ich dann noch weiter gelernt und auch gut bestanden.

Mia: Mein Fakt beinhaltet viele Zahlen, ist aber auch sehr interessant. Und zwar stellt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychiotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (kurz: DGPPN) laufend aktuelle Zahlen, Informationen und Fakten rund um die psychische Gesundheit zusammen. Der letzte Stand ist von Okter 2020. Da wurde bekannt gegeben, dass in Deutschland jährlich ca. 27,8% der Erwachsenen von einer psychischen Kranheit betroffen ist. Das sind ca. 17,8 Millionen Menschen.

Von diesen 27,8% suchen sich nur 18,9% Hilfe. Das finde ich super krass und es tut mir sehr leid, dass sie mit diesen Problemen leben.

Hannah: Also ich finde das auch schon super viel. Das tut weh zu hören.

Mia: Die häufigsten Erkrankungen sind

  1. Angststörungen
  2. Affektive Störungen (z.B. Bipolare Störung und Depressionen)
  3. Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum

Ich hätte nicht gedacht, dass Alkohol- und Medikamentenkonsum auf Platz 3 stehen.

Hannah: Ich hätte tatsächlich auch nicht damit gerechnet, dass Angststörungen auf Platz 1 steht. Ich hätte gedacht, dass Depressionen oder depressive Verstimmungen auf Platz 1 stehen.

Mia: 2018 haben sich in Deutschland ca. 9.300 Menschen das Leben genommen. Davon lassen sich 50-90% auf einepsychische Erkrankung zurückführen.

Hannah: Falls ihr euch mal so fühlt, dann sprecht auf jeden Fall mit jemandem darüber (Freund:innen, Familie, Ärzt:innen). Falls ihr Akut in einer Kriese steckt, dann geht in die Notaufnahme und schildert, was in euch vorgeht!

Es gibt natürlich nicht nur Hilf zum Anrufen, sondern auch etwas zum chatten. online.telefonseelsorge.de Bei der Onlineseelsorge könnt ihr euch einen Zugang erstellen und dann mit jemanden chatten. Über eure Sorgen, Ängste oder eure Probleme.

Mia: Genau! Danke fürs zuhören. Falls ihr Fragen oder Anregungfen habt, könnt ihr unse gerne eine E-Mail schrieben. (kontakt@podcastmind-me.de)

Hannah: Lasst euch nicht unterkriegen. Bis zum nächsten Mal. Tschüss!

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