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Vorstellungsfolge
Müdigkeit, Mobbing und Psychatrieaufenthalte – das sind nur kleine Ausschnitte aus dieser Folge. Wir möchten euch gerne mit in unsere Vergangenheit nehmen um zu zeigen, wie sich die Depression bei uns geäußert hat. Wer wir sind und warum wir hier sind, verraten wir euch auch!
Herzlich Willkommen zur Vorstellungsrunde bzw. Vorstellungsfolge von mind me – Dem Podcast über die Facetten der Depression. Wir sind Mia und Hannah und wir möchten euch unsere Geschichten erzählen und danach darüber reden warum wir den Podcast überhaupt machen und was damit unsere Ziele sind.
Mia: Bei mir fing es tatsächlich schon sehr früh an. Ich hatte in der Grundschule fast jeden morgen schon Bauchschmerzen und ich wusste einfach nicht, woher sie kommen. Irgendwann bin ich dann zu einem Schulpsychologen gegangen und er stellte fest, dass es damals an einer Lehrerin lag die immer super viel am motzen war und das genaue Gegenteil von den ganzen anderen lieben Grundschullehrerin war.
Dann ging es mir eine lange Zeit gut. So richtig schlimm ging es mir dann, als wir beide ein paar Jahre später an die Nordsee zu deinen Verwandten wollten. Ich weiß noch genau wie ich morgens schon merkte, wie mir immer übler wurde und ich auch in der Dusche stand und mir die ganze Zeit voll den Kopf gemacht habe, wie ich die Fahrt an die Nordsee überleben soll ohne mich zu übergeben. Es war ja doch schon ein gutes Stück mit dem Auto. Als du mich dann mit deinem Vater abholen wolltest musste ich mich übergeben und ich konnte mir einfach nicht erklären warum. Am nächsten Tag hat meine Mutter mich dann zu euch nachgebracht, doch mir ging es den ganzen Urlaub schlecht. Ich weiß noch genau wie wir shoppen waren und ich ich hab mich einfach so scheiße gefühlt, weil ich die ganze Zeit Bauchschmerzen und Übelkeit hatte. Der Gedanke daran dir den ganzen Urlaub zu vermiesen das war noch viel schlimmer für mich.
Hannah: Also das zu hören das tut mir einfach so leid! Ich wusste das ja tatsächlich gar nicht, dass du dich so gefühlt hast. Hätte ich das gewusst, hätte ich gerne irgendwas anderes gemacht.
Mia: Aber mal was witziges: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern wie wir im Badezimmer geschlafen haben, weil eine große dicke Spinne an der Decke im Schlafzimmer hing.
Hannah: Einschneidendes Erlebnis, ja!
Mia: Dann wurde es erstmal wieder schlimmer. Es verging kein Tag ohne Übelkeit oder Bauchschmerzen. Wenn das mal besser wurde, hatte ich beispielsweise Kopfschmerzen. Immer plagte mich irgendetwas, egal ob Übelkeit Atemprobleme, Kopfschmerzen oder Herzschmerzen. Etlichen Ärzt:innen konnten konnten mir nicht helfen. Ich war einfach so verzweifelt, denn ich habe nicht verstanden was mit mir los war, was mit meinem Körper falsch war. Das Mobbing in der Schule hatte die Situation zusätzlich zu den privaten Problemen drastisch verschlechtert. Als ich von der weiterführenden Schule auf einem Berufskolleg wechselte, hörte zwar das Mobbing auf, es ging mir aber immer schlechter und schlechter. Ich habe wegen der Krankheit vier statt zwei Jahre für mein Fachabitur gebraucht. Dann habe ich jemanden kennengelernt dessen Geschichte ähnlich zu meiner war und Hilfe bei einem Therapeuten gefunden hat. Daraufhin besuchte ich erst einmal einen Neurologen in meiner Heimatstadt. Der verschrieb mir ein Antidepressivum. Ich habe sofort eine Verbesserung bemerkt und habe mir dann eine Therapeutin gesucht. Mit ihr bin ich leider überhaupt nicht klar gekommen und habe nach einem Jahr wieder aufgehört. Beispielsweise wusste sie, dass ich panische Angst vor Hunden hab und sie hatte in ihrer Praxis auch einen Therapiehund. Den hat sie dann mit einem Spielzeug so richtig wild gemacht und mir das Spielzeug anschlißend in meinen Schoß geworfen. Ich war natürlich panisch als der Hund dann auf einmal auf mich zugelaufen kann.
Folglich bin ich dann in einer Großstadt gezogen. Dort habe ich mir nach einiger Zeit erneut eine Therapeutin gesucht nach einigen Monaten habe ich aber dann auch diese Therapie wieder abgebrochen, da ich dachte, dass es mir wieder gut geht. Spoiler: Das tat es nicht! Ich habe auch durchgehend mein Antidepressivum genommen und war ab und zu mal bei dem Neurologen der mir das veschrieben hat. Dieser hat allerdings nicht auf meine angesprochenen Nebenwirkung reagiert und auch nicht mehr gut untersucht. Was ich rückwirkend irgendwie ein bisschen komisch finde, da er mir das Mittel einfach nur verschrieben hat und gar nicht so richtig darum gekümmert hat.
Ich merke wie es mir immer schlechter und schlechter ging. Desöfteren hatte ich Nervenzusammenbrüche und sollte einfach ein Beruhigungsmittel nehmen, welches mir der Arzt verschrieb. Das habe ich dann auch leider das ein oder andere mal zu oft genommen, da ich eine komplette Flasche davon zu Hause hatte und mir die Wirkung einfach so gut gefallen hat. Irgendwann ging es mir dann so mies, dass ich wieder einen Nervenzusammenbruch hatte – schlimmer als je zuvor. Zum Glück hat mich ein damaliger Freund in die Notaufnahme gefahren, sonst wusste ich nicht ob ich noch hier sitzen würde. Ich wurde dann stationär in die Psychatrie aufgenommen und musste locker drei verschiedenen Menschen meine komplette Lebensgeschichte erzählen – bis ins kleinste Detail. Was natürlich extrem kräftezehrend war, da ich dadurch die gesamten Situationen immer und immer wieder erleben musste. Da würde mir auch erst bewusst wieviel ich in meinem Leben schon durchstehen und ertragen musste. Dort wurde ich dann richtig durchgecheckt habe ein anderes Antidepressivum bekommen, da sie feststellten, dass mir das vorherige offensichtlich nicht gut getan hat. Als ich dann nach kurzer Zeit wieder entlassen wurde, beziehungsweise ich mich selber entlassen hatte, suchte ich mir erneut einen Therapieplatz. Ich habe zum Glück sehr schnell einfach so eine alte Praxis gefunden. Dort war ich dann 2 Jahre in Behandlung. Ich muss sagen, dass war die beste Entscheidung meines Lebens! Auch wenn es super anstrengend und absolut nicht leicht war. Heute fühle ich mich wie ein neuer Mensch gerade auch mit dem Umzug raus aus der Großstadt. Das ist das erste Mal in den vergangenen 10 Jahren, dass ich von meinen Depressionen in der Vergangenheit spreche, da ist mir seit circa zwei Monaten so gut wie noch nie geht. Ich hoffe es werden noch weitere viele Monate Jahre folgen! Möchtest du mal von dir erzählen?
Hannah: Ja, dann erzähle ich auch mal von mir: Das etwas mit mir nicht stimmen könnte, habe ich eigentlich so mit 15 Jahren gemerkt. Aber eigentlich war es mir gar nicht so bewusst. Das ein wirkliches Problem vorliegt, wurde mir tatsächlich vor gar nicht so langer Zeit bewusst, weil ich mich natürlich dann intensiver damit beschäftigt habe und dem ganzen auf den Grund gegangen bin. Bei mir zeigten sich einfach die Symptome etwas anders. Ich war sehr oft überfordert mit meinen Gefühlen und merkte, dass ich aggressiv war. Mir gegenüber also nicht anderen gegenüber. Das ist natürlich auch nicht immer so schön. Damit beschritt ich sozusagen meine Jugend. Ich habe immer wieder gemerkt, dass ich gerne meine Gefühle irgendwie betäuben wollte.
Als ich dann mein Studium mit 18 begann, kamen noch viele weitere Probleme hinzu. Eigentlich fing es da erst so richtig an. Abgesehen davon dass ich mit meinem damaligen Freund in einer On-Off-Beziehung lebte, mit viel Streitereien, kam noch der Studiumstress dazu. Mit dem ich wirklich nicht so gut klar kam. Da hat mein Körper nicht mehr so richtig mitgemacht. Ich kam morgens nicht mehr aus dem Bett, fühlte mich wie überfahren. Abends wiederum konnte ich nicht einschlafen, weil ich an so vieles denken musste. Ich schlief die meiste Zeit in meinen Vorlesungen ein und auch in Bussen und Bahnen verpasst ich gerne mal die Haltestelle, da ich einschlief. Erst abends, wenn es in eine Bar oder zu einer Hausparty ging und es Alkohol gab, da blühte ich erst wieder so richtig auf. Es ging mir dann körperlich und seelisch einfach viel besser. Die ganze Situation wurde so schlimm, dass ich einfach gar nicht mehr an meinem Studium teilnehmen konnte. Öfter schwänzte ich den Unterricht und konnte mich zu Hause auch gar nicht mehr wach halten um zu lernen, da auch hier oft im Kopf auf dem Tisch einschlief. Nicht mal Kraft ordentlich für mich zu kochen blieb mir, weswegen es meistens Fertiggerichte gabe. Dann habe ich irgendwann beschlossen zu einem Arzt zu gehen und das einfach mal alles zu erzählen und zu schildern.
Leider muss ich dazu sagen, dass ich auch zu mehreren Ärzten gehen musste, da mich niemand so richtig ernst genommen hat und viele haben auch gesagt das bestimmt das Studium schuld sei. „Ist ja eine stressige Zeit“, habe ich ganz oft zu hören bekommen. Dann bekam ich Hoffnung, denn eine Ärztin diagnostizierte eine Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin D- und B Mangel und da war ich natürlich super froh das zu hören. Es passe gut zu einem Gefühl in letzter Zeit, da ich auch sehr verwirrt war. Doch die Gefühle der Müdigkeit, der Schwäche und das Gefühl mit jeder kleinsten Sache überfordert zu sein blieben. Die schlechten Gefühle gingen trotz Vitamin und Hormon Substitution nicht weg. Ich fühlte mich immer einsamer und fremder und ich dachte ich sei körperlich sehr krank – das war auf jeden Fall das was mein Körper mir suggerierte. Die Alkoholexzesse und das selbstverletzende Verhalten haben mich bis dahin begleitet und das machte es natürlich irgendwie anstrengender zu leben und den Alltag zu bestreiten.
Der weitere Druck im Studium zwang mich sehr oft in die Knie und ich bekam ein Antidepressivum verschrieben, wo ich tatsächlich auch die letzte Hoffnung drin sah, um ehrlich zu sein. Aber leider wurde das alles nur noch schlimmer. Also wirklich schlimm. Ich kann mich auch tatsächlich an die ganze Zeit nicht mehr so gut erinnern. Mein Gedächtnis ist ziemlich leer was das angeht, weil ich wirklich sehr verwirrt war. Woran ich mich dann aber noch sehr gut erinnern kann, dass ich dann in die geschlossene Station einer Psychiatrie eingewiesen wurde und das Erste woran ich mich dort erinnern kann das sind Berührungen von einem Mitpatienten an meinem ganzen Körper.
Mia: Wo hat er dich berührt? Das wäre jetzt so meine Frage.
Hannah: Ja, also das klingt ist vielleicht ein bisschen komisch. Er war dement und er wusste nicht mehr so richtig was er tat und ich lag in einem Bett auf dem Flur. Er hat mir die Decke weggezogen, hat mich an den Beinen und am Kopf berührt und mich so ein bisschen angetätschelt. Ich war total überfordert, weil bis dahin die letzte Erinnerung war, dass ich in meinem Zimmer zuhause bin. So ist das Aufwachen ganz schön seltsam.
Alles was danach passierte, brachte mich auf jeden Fall auf den richtigen Weg. Der aber auf gar keinen Fall einfach war. Ich würde sagen, dass mir das Erlebnis auf jeden Fall auch gezeigt hat, dass sich einiges in meinem Leben ändern muss. Nach dem Aufenthalt versuchte ich an einen Therapeuten zu kommen, was leider überhaupt nicht so leicht war. Ich hatte jedoch das Glück und fand einen der etwas weiter entfernt von mir war. Natürliche habe ich jedoch die Fahrt gerne in Kauf genommen. Also jeder der das Problem kennt, der weiß bescheid.
Mia: Ja, ich weiß wie furchtbar das mit der Therapieplatzsuche ist. Es gibt teilweise Wartelisten von über einem Jahr.
Hannah: Auch heute gibt es Tage wo ich wieder depressive Episoden habe, in denen ich ein wenig den Sinn aus den Augen verliere und ich denke, dass mir niemand helfen kann und ich nie wieder irgendwie anders fühlen werde. Was jedoch nicht so ist, wenn ich auch mal spoilern darf. ja Diese Episoden werden jedoch immer kürzer und kommen auch gar nicht mehr so oft vor. Ich bin leider noch nicht über den Berg, aber die Krankheit hat mich persönlich absolut weiterentwickelt. Ich sehe viele Dinge jetzt mit anderen Augen und achte auf Dinge die andere Mitmenschen vielleicht gar nicht sehen, wissen oder tun.
Mia: Vielen Dank, dass du deine Geschichte mit uns geteilt. Was ich sehr interessant fand ist, dass unsere Geschichten total unterschiedlich sind aber sich dennoch in einigen Bereichen ähneln.
Hannah: Deswegen sind es ja auch die Facetten der Depression. Ich sage mal so – viele Wege führen nach Rom. So führen auch viele Wege zur Depression.
Mia: Ich möchte noch einmal sagen, dass wir jetzt natürlich auch ab und zu mal gelacht haben oder uns ein paar Späße erlaubt haben. Das machen wir selbstverständlich nicht um das Thema lustig zu machen. Wir möchten einfach nur eine gewisse Leichtigkeit reinbringen, denn wir wollen selbstverständlich nicht, dass sich jemand beim Hören des Podcast getriggert fühlt oder runtergezogen wird.
Jetzt kommen wir auch schon dazu warum wir das ganze machen möchten – und zwar hat man ja auch anhand Hannahs Geschichte gehört, wie lange die Wartezeiten bei Therapeut:innen sein können. Das zeigt ja nur, wie viele Menschen mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Wir möchten nicht, dass dieses Thema totgeschwiegen wird oder jemand sich dafür schämt. Es ist eine Krankheit wie ein gebrochener Knochen oder eine Allergie. Da wir beide mittlerweile an einem Punkt angekommen sind, an dem es so geht, dass wir keine Probleme damit haben unsere Erfahrungen zu teilen möchten wir das tun, in der Hoffnung dem einen oder anderen vielleicht ein wenig zu helfen und ein bisschen Mut zu geben sich Hilfe zu suchen.
Hannah: Da uns das Thema sehr wichtig ist, wollen wir drauf aufmerksam machen. Wir möchten über viele Themenbereiche wie z.B. Burnout, Angstzustände oder Angststörungen, Mobbing sprechen. Da lassen wir unsere eigenen Erfahrungen oder aus unserem Bekanntenkreis einfließen, freuen uns jedoch auch über eure Erfahrung. Wie gesagt, es gibt so viele Facetten und das ist einfach interessant und vielleicht erkennt sich der eine oder andere wieder und fühlt sich dann nicht so alleine. Wie wir wissen, passiert das ganz schnell bei einer Depression.
Wir werden auf jeden Fall gewisse Organisationen an euch weiterleiten, also dass ihr einfach bescheid wisst, wo ihr hingehen könnt, wenn ihr mal Probleme habt oder wenn ihr euch an jemanden wenden möchtet.
Abschied beide: Vielen Dank fürs Lesen und wir hoffen, ihr seid bei der nächsten Folge auch dabei!